Nussbaum, Martha, Zorn und Vergebung. Plädoyer für eine Kultur der Gelassenheit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2017. 408 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Viele Lebewesen sind wohl von ihren Anfängen an nicht nur von physisch fassbaren Gegebenheiten bestimmt, sondern auch von psychischen Momenten, die sich zwar in körperlichen Erscheinungen und Folgen zeigen können, aber nicht nur körperlich geprägt sind. Zu ihnen dürften Freude und Trauer, Liebe und Hass sowie Zorn und Mitleid sowie vieles andere mehr gehören. In diesem Sinne lassen sich Zorn und Vergebung in dem Leben der Menschen einander gegenüberstellen.

 

Die sich mit diesem Gegenstand beschäftigende Verfasserin wurde 1947 in New York City als Tochter des Rechtsanwalts George Craven und seiner familiengeschichtlich mit der Mayflower verbundenen Ehefrau geboren. Nach dem Studium der klassischen Philologie und der Theaterwissenschaft an der New York University und in Harvard sowie der Eheschließung mit Alan J. Nussbaum wurde sie 1972 als erste Frau Junior Fellow in Harvard. Nach vielfältigen weiteren Erfahrungen ist sie inzwischen als Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaft an der University of Chicago tätig.

 

Das vorliegende, aus in Oxford 2014 gehaltenen Locke Lectures hervorgegangene Werk gliedert sich in acht Abschnitte, von denen die Einführung die mögliche Wandlung von Furien zu Eumeniden behandelt. Danach werden der Zorn auf den Grundlagen von Schwäche, Vergeltung und Herabsetzung sowie die Vergebung als Mittel von Disziplinierung und Schuldzuordnung erörtert. Im Ergebnis stuft die Verfasserin trotz oder vielleicht auch wegen ihrer 1987 erfolgten Ehescheidung überzeugend Zorn als falsche Antwort auf eine Kränkung ein und schlägt ein Bewusstsein für die Belanglosigkeit der meisten  Kränkungen vor. Vermutlich kann man jedermann nur wünschen, dass er in seinem Alltagsleben diese frohe, nicht zuletzt an der klassischen Antike orientierte Botschaft für sich verwirklichen kann.

 

Innsbruck                                                                                                              Gerhard Köbler