Ludwig Haas. Ein deutscher Jude und Kämpfer für die Demokratie, hg. v. Grothe, Ewald/Pomerance, Aubrey/Schulz, Andreas (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 174). Droste, Düsseldorf 2017. 321 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Ludwig Haas wurde in Freiburg im Breisgau an dem 16. April 1875 in einem jüdischen Elternhaus geboren und studierte nach dem Abitur auf dem humanistischen Gymnasium in Bruchsal seit 1894 in Heidelberg, München und Freiburg Rechtswissenschaft, wobei er sich der Verbindung Badenia in dem Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens anschloss, 1897 in Freiburg die Friburgia gründete und 1898 mit einer Dissertation über Mehrtäterschaft bei Richard Schmidt promoviert wurde. Nach der zweiten juristischen Staatsprüfung wurde er Rechtsanwalt in Karlsruhe, 1909 Stadtrat in Karlsruhe und als Mitglied der Fortschrittlichen Volkspartei 1912 Mitglied des Reichstags des Deutschen Reiches und diente in dem ersten Weltkrieg als Zugführer; Kompagnieführer und Dezernatsleiter für jüdische Schulangelegenheiten und Kulturangelegenheiten bei dem Verwaltungsleiter des Generalgouvernements Warschau. An dem 10. November  1918 wurde er ohne Glaubenswechsel Innenminister in Baden.

 

Nach dem Vorwort der Herausgeber des vorliegenden Bandes war Haas‘ bemerkenswerte politische Karriere Gegenstand eines in dem Juni 2016 abgehaltenen wissenschaftlichen Symposiums des jüdischen Museums Berlin, der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien und des Archivs des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Alle Vorträge und weitere Studien zu wichtigen Stationen und Aspekten der Biografie und des politischen Umfelds sind in dem von den Herausgebern organisierten Sammelband zusammengefasst. In der Lebensgeschichte Ludwig Haas‘ spiegeln sich danach die Erfolge und Gefährdungen der Demokratie zwischen 1918 und 1933 wider, indem Haas in gewisser Weise den Kampf der entschieden republikanischen bürgerlichen Linken gegen die offene feindliche Verachtung des Liberalismus, der Demokratie und des Parlamentarismus durch Kräfte von rechts wie links verkörpert.

 

Gegliedert ist der durch verschiedene Abbildungen veranschaulichte Band in vier Abschnitte über die politischen Anfänge, Haas als Republikaner und Demokrat, die Familie Haas sowie Auswanderung (der Nachfahren), Exil und Remigration. Die dreizehn Referate beginnen mit dem Verbindungsstudenten Haas, der dem Recht den Vorrang vor der Macht einräumt und enden mit einem Überblick über die deutsche Einwanderung und Kultur in Neuseeland. Insgesamt bietet der leider eines Sachregisters entbehrende Band vielfältige tiefe Einblicke in Gedanken und Handlungen des nach Schlaganfällen in Karlsruhe an dem 2. August 1930 früh verstorbenen, leidenschaftlichen Kämpfers für die parlamentarische Demokratie, die dauerhafte Erinnerung verdienen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler