Heymel, Michael, Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer. Schneider, Darmstadt 2017. 320 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Emil Gustav Friedrich Martin Niemöller wurde in Lippstadt am 14. Januar 1892 als Sohn eines lutherischen Pfarrers geboren und trat nach dem familiären Wechsel nach Elberfeld und dem Abitur an dem dortigen evangelischen Gymnasium in die kaiserliche Marine ein, in der er  1918 Kommandant des Minenunterseeboots UC 67 wurde, das auf zwei Feindfahrten drei Dampfer versenkte. Unter Ablehnung der am Ende des ersten Weltkriegs revolutionär entstandenen republikanisch-demokratischen Regierungsform arbeitete er zunächst auf einem Bauernhof, entschloss sich aber nach der Heirat Else Bremers und dem Scheitern des Erwerbs eines eigenen Hofes zu dem Studium der evangelischen Theologie in Münster, um der aus seiner Sicht mit dem Verlust des Weltkriegs und dem anschließenden Ende der Monarchie haltlos gewordenen Gesellschaft Sinn und Ordnung zu bieten. 1924 wählte er die Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei und wurde Vereinsgeistlicher der Inneren Mission in Westfalen.

 

Mit seinem Weg vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer beschäftigt sich das vorliegende, Werk des in Frankfurt am Main 1953 geborenen, in Heidelberg 1984 mit einer Dissertation über das „Humane lernen“ in Glaube und Erziehung bei Sören Kierkegaard promovierten, 33 Jahre als Pfarrer der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau tätigen, 2003 habilitierten, von Thomas Brockmann und der wissenschaftlichen Buchgesellschaft zu seinem neuen Vorhaben ermutigten Verfassers, der seit 2008 an dem etwa 100 laufende Meter umfassenden Nachlass Niemöllers in dem Zentralarchiv der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau arbeiten und in diesem Rahmen 2011 alle Predigten Niemöllers der Zeit in Dahlem kritisch edieren konnte. Gegliedert ist die Biographie nach einer kurzen Einführung in sechs chronologische geordnete Abschnitte. Sie betreffen die Zeit von der Kindheit bis zur Tätigkeit als Pfarrer in Berlin-Dahlem, den  Weg in die  kirchliche Opposition aus Verantwortung, die Gefangenschaft durch Adolf Hitler in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau, die Rückkehr als prophetischer Prediger des Evangeliums, den Aufstieg zu dem Präsidenten der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (1947) und die Entwicklung zu einem radikalen Pazifisten.

 

Gegenüber vorangehenden Biographien hält der Verfasser einleuchtend die stärkere Berücksichtigung der dokumentierten Predigten, Reden und Vorträge sowie die Auswertung der weitverzweigten Korrespondenzen für erforderlich. Im Ergebnis erweist er Niemöllers Leben an der Frage ausgerichtet, „Herr, was willst du, dass ich tun soll?“ Wohl aus dieser entschiedenen Vorstellung heraus überließ der stets mit letztem Einsatz wirkende, todesmutige, in Wiesbaden am 6. März 1984 bettlägerig verstorbene Kirchenmann internationaler Ausstrahlung die an sich für ihn vorgesehene Grabstelle in Berlin-Dahlem dem durch ein Attentat im April 1968 schwer verletzten, in Aarhus am 24. Dezember 1979 an den Spätfolgen des Angriffs verstorbenen marxistischen Aktivisten Rudi Dutschke.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler