Hennecke, Frank, Das Römische Recht als Rezeption der Antike – vom Mittelalter bis zur Europäischen Union (= Förderkreis Lebendige Antike Ludwigshafen am Rhein e. V. Schriftenreihe, Band 25). Frank Hennecke, Ludwigshafen am Rhein 2017. 59 S.

 

Das Werk ist, wie sich dem Vorwort (S. 4) entnehmen lässt, die Textfassung eines Vortrags, den der Autor am 5. 10. 2016 im Rahmen der Vortrags- und Veranstaltungsreihe „Lebendige Antike Ludwigshafen am Rhein“ gehalten hat. Wie schon im Titel angedeutet, besteht der Zweck der Publikation nicht allein darin, den Leser mit dem antiken römischen Recht bekannt zu machen; vor allem soll auch die Rezeption des römischen Rechts in Europa dargestellt und darüber hinaus gezeigt werden, wie sich das römische Recht und seine Rezeption auf die Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit in Deutschland und in ganz Europa ausgewirkt haben.

 

Der Autor stellt die Entwicklung des römischen Rechts vom Zwölftafelgesetz (Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts) bis zur Kodifikation Justinians (6. Jahrhundert nach Christus) dar und geht im Folgenden auf die Rezeption des (später so genannten) Corpus Iuris Civilis in Westeuropa ein, zunächst in Italien (11. Jahrhundert) und, von dort ausgehend, in ganz Europa, angefangen bei den mittelalterlichen Glossatoren und Kommentatoren über den Humanismus, den usus modernus, das Vernunftrecht der Aufklärung, die Historische Rechtsschule (Savigny), bis zu den nationalen Kodifikationen wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch und den Bemühungen im Rahmen der Europäischen Union, ein europäischen Privatrecht zu schaffen.

 

Der Vortrag erschöpft sich jedoch nicht in einer bloß rechtshistorischen Darstellung, sondern umfasst auch grundsätzliche, insbesondere rechtstheoretische, rechtsphilosophische und rechtspolitische Erwägungen. So arbeitet der Verfasser heraus, dass zu den bis heute fortwirkenden Leistungen des römischen Rechts die Unterscheidung zwischen Privatrecht, Staatsrecht und Strafrecht gehört, ferner die Eigenständigkeit des Rechts gegenüber Religion und Moral und die Herausbildung eines unabhängigen Rechtskundigenstands, um nur einige seiner zahlreichen Themen zu nennen. Vor allem jedoch betont der Verfasser mehrfach – dies scheint ihm ein besonderes Anliegen zu sein –, die römische Privatrechtsordnung sei als Inbegriff der Privatautonomie und damit der individuellen Freiheit zu verstehen, die zwar staatlichem Zugriff unterliege, aber staatlicher Herrschaft prinzipiell nicht zur Disposition stehe (S. 20).  Diese Aussage bildet einen der Grundgedanken seines Vortrags, den er am Ende auch auf die Gegenwart bezieht, wenn er kritisch feststellt, heute komme es leicht zu einem „Grundverständnis von Politik, das nicht von einer prinzipiellen Freiheit der Bürger ausgeht, sondern sich als Befugnis zur Disposition über Freiheit, Eigentum und Vermögen der Bürger versteht“, um das Verhalten der Bürger zu steuern und gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen (S. 47 f.).

 

Dem Verfasser ist ein guter Überblick über das römische Recht und seine Rezeption in Europa gelungen. Es versteht sich von selbst, dass dieser Überblick – im Rahmen eines Vortrags – nur kurz und skizzenhaft sein kann. Leser, die sich in das Thema vertiefen möchten, finden am Ende der Publikation eine nützliche, relativ ausführliche Literaturliste (S. 49ff.). Das Literaturverzeichnis zeigt, dass der Verfasser nicht nur die Standardwerke zum römischen Recht und seiner Rezeption, sondern zum Beispiel auch allgemein-historische und kulturhistorische Literatur ausgewertet hat. Gelegentlich sind zwar kleine Ungenauigkeiten festzustellen. So wird der römische Jurist Gaius fast durchgehend als Caius bezeichnet; der Rechtshistoriker Wilhelm Brauneder als Wilhelm Braunecker. Dies sind aber nur Petitessen. Jedem Leser, der sich in das große Thema der Rezeption des römischen Rechts in knapper Form einführen lassen möchte, kann dieses kleine Buch empfohlen werden.

 

Heidelberg                                                     Hans-Michael Empell