Die Rolle des Juristen im Widerstand gegen Hitler – Festschrift für Friedrich Justus Perels, hg. v. Stiftung Adam von Trott Imshausen e.V., Nomos, Baden-Baden 2017. 232 S.

 

Der von der Stiftung Adam von Trott herausgegebene Band vereinigt die Vorträge, die 2010 anlässlich des 100. Geburtstags von Friedrich Justus Perels auf der Tagung: „Die Rolle der Juristen im Widerstand gegen Hitler“ gehalten worden sind. Friedrich Justus Perels (1910-1945) war seit 1933 Rechtsberater, später Justitiar der Bekennenden Kirche. Seit 1940 hatte er Verbindung mit Widerstandskreisen (insb. von Hans von Dohnanyi) und war am 2. 2. 1945 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt worden (im April 1945 von einem Sonderkommando des Reichssicherheitshauptamts erschossen). Der Band beginnt mit dem Beitrag Claudia Fröhlichs über „Rechtsdenken und Rechtspraxis im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ (S. 15-27), in dem sie auf die Überwindung des „formalen Rechtsstaatsbegriffs“ durch Helmuth James von Moltke und Adam von Trott eingeht. Der von diesen entwickelte „materialrechtliche Gehalt des Rechtsstaatsbegriffs“ sei in der Gestaltung des Rechtsstaates in den 1950er und 1960er Jahren „keineswegs realisiert“ worden (S. 24).

 

Der Abschnitt „Juristen im Widerstand“ wird eröffnet mit einem Referat von Peter Schneider (S. 31-48) über Friedrich Weißler, das sich vornehmlich mit der von diesem mit verfassten Denkschrift der bekennenden Kirche befasst. Der christlich begründete Widerstand der bekennenden Kirche gegen das nationalsozialistische Regime wurde vor allem mit geprägt von Friedrich Justus Perels (hierzu Joachim Perels, S. 49-66). Josef Wirmer (1901-1944) gehörte in der Weimarer Zeit dem linken Zentrumsflügel an und verteidigte in der nationalsozialistischen Zeit als Berliner Rechtsanwalt „politisch Verfolgte und Juden“ in Prozessen; 1943/1944 suchte er Kontakte zu mehreren Widerstandskreisen (Goerdeler, Delp, Moltke). Insgesamt war er der Staatsrechtslehre Leos XIII. verpflichtet (S. 78ff.). Den Beitrag über Adam von Trott zu Solz (S. 85-90), der ab 1940 im Auswärtigen Amt tätig war und über den Andreas Schott eine Dissertation vorgelegt hat (erschienen 2001 unter dem Titel: „Adam von Trott zu Solz. Jurist im Widerstand, verfassungsrechtliche und staatspolitische Auffassungen im Kreisauer Kreis), hätte man sich gerne etwas ausführlicher gewünscht. Eingehend über Richard Schmid, „Anwalt der illegalen Sozialistischen Arbeiterpartei“, über den noch immer keine Monografie vorliegt, berichtet Hans-Ernst Böttcher (S. 91-134). Schmid (1899-1986) war in der nationalsozialistischen Zeit bis zu seiner Verhaftung und Verurteilung durch den Volksgerichtshof 1938/1940 Rechtsanwalt in Stuttgart gewesen und hatte insbesondere das illegale südwestdeutsche Netzwerk der SAP betreut. Ausführlich schildert Böttcher Schmids Verteidigungsstrategie in dem gegen diesen gerichteten Strafverfahren vor dem Volksgerichtshof, das zu einer „äußerst maßvollen“ Zuchthausstrafe von drei Jahren führte. Nach dem Krieg war Schmid zunächst Generalstaatsanwalt in Stuttgart bis 1953 und, nach einer kurzen Zwischenstation im Justizministerium als Staatssekretär von 1953 bis 1964, Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart. Nach 1945 entfaltete er eine umfangreiche politische Publizistik (zum großen Teil in drei Bänden enthalten, hrsg. 1965-1984). In Zusammenhang mit der Verteidigung des politischen Streikrechts erging auf eine Verfassungsbeschwerde Schmids, die bei dessen Auseinandersetzung mit dem „Spiegel“ am 25. 1. 1961 erhoben wurde, die Entscheidung mit folgendem Leitsatz: „Die Wahrnehmung berechtigter Interessen deckt auch Gegenäußerungen in der Presse, die der Art eines Presseangriffs und seiner Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung entsprechen“.

 

Der dritte Teil: „Das Erbe des Rechtsdenkens des Widerstands heute“ wird eröffnet durch Gregor Kritidis mit dem Beitrag: „Wolfgang Abendroth. Politischer Widerstand und Analyse des NS-Regimes“ (S. 137-157), der insbesondere auf Abendroths Kritik an dem nationalsozialistischen Regime vor und nach dem zweiten Weltkrieg eingeht (S. 141ff.). Diese hat ihren Ausgangspunkt insbesondere in Neumanns Werk „Behemoth“ (1942, 1944): „Ohne eine soziologische Durchdringung von Struktur und Dynamik kapitalistischer Vergesellschaftung“, so abschließend Kritidis –, bleibe „der Antifaschismus weitgehend orientierungslos und in den Dilemmata der bürgerlichen Totalitarismus-Kritik gefangen“ (S. 157). In dem Beitrag von Joachim Perels geht es um „Probleme der Ahndung völkerrechtswidriger Staatsverbrechen“ (S. 159-174), die vielfach noch immer von (außen-)politischen Rücksichten abhängig sei (S. 169ff.). Anschließend erörtert Dieter Deiseroth „Möglichkeiten und Schranken der Durchsetzung des Völkerrechts“ (S. 175-222). Lesenswert sind insbesondere die Ausführungen über die Möglichkeit der „Befassung innerstaatlicher Gerichte mit Völkerrechtsverstößen“ (S. 203ff.) vor allem aufgrund des Art. 25 GG. Der Band wird abgeschlossen mit der Wiedergabe der Texte der Andacht zur Tagung am 14. 11. 2010 (Volkstrauertag; S. 223-225).

 

Insgesamt wäre es im Interesse des Andenkens an Friedrich Justus Perels wichtig gewesen, wenn die Beiträge, die sich mit diesem befassen, auf dessen Biografie noch detaillierter eingegangen wären. Alles in allem eröffnet der Band neue Perspektiven auf den von Juristen ausgehenden Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime und erschließt insbesondere die Biografie und das Werk heute weniger bekannter Juristen wie Friedrich Weißler, Josef Wirmer und Richard Schmid.

 

Kiel

Werner Schubert