Collin, Peter, Privat-staatliche Regelungsstrukturen im frühen Industrie- und Nationalstaat (= Methodica – Einführungen in die rechtshistorische Forschung 2). De Gruyter, Berlin 2016. XIV, 209 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Auch denn er Mensch in der Universalgeschichte erst sehr spät entstanden ist, ist er doch erheblich älter als der von ihm frühestens nach der Sesshaftwerdung  im Altertum entwickelte Staat. Dieser hat sich allerdings seit der Neuzeit so verfestigt, dass er inzwischen das Individuum weitgehend beherrscht. Einen Teilaspekt dieser Veränderung behandelt das vorliegende Werk des 1967 geborenen, in Berlin seit 1987 in Rechtswissenschaft ausgebildeten, 1999 mit einer strafrechtsgeschichtlichen Dissertation an der Humboldt-Universität promovierten, 2008 in Greifswald als Mitarbeiter Erk Volkmar Heyens für öffentliches Recht, neuere Rechts- und Verwaltungsgeschichte sowie Verwaltungswissenschaft habilitierten Verfassers, der seit 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main wirkt.

 

Er ist bereits früher durch Arbeiten zur Wirtschaftsrechtsgeschichte wie etwa seine Schriften zur Selbstregulierung im 19. Jahrhundert oder zur regulierten Selbstregulierung in der westlichen Welt des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts hervorgetreten Das vorliegende Buch befasst sich mit der Herausbildung und Entwicklung privat-staatlicher Regelungsstrukturen in „Deutschland“ im 19. und 20. Jahrhundert bis zu dem Ende der Weimarer Republik. Veranschaulicht wird diese Thematik auf dem Umschlag durch Repräsentanten des Ruhrtalsperrenvereins bei der Eröffnung der Möhnetalsperre in dem Jahre 1913.

 

Die Einführung bietet nach einem kurzen Überblick zur Forschungsgeschichte einen Überblick zur Rechtsentwicklung, der mit der unmittelbaren Vorgeschichte am Ende des 18. Jahrhunderts beginnt, dann die lange Inkubationsphase von dem Vormärz bis zu den 1870er Jahren betrachtet, die Herausbildung des Interventionsstaat verfolgt und nach der kurzen Kriegszeit den Nachkriegsaufbruch samt Krise untersucht. Hierbei kann der Verfasser erkennen, dass sich hinsichtlich der ablauforganisatorischen Mechanismen wie der Beleihung oder dem Verwaltungsvertrag allmählich ein allgemein anerkanntes Verständnis herausbildete, während die Privatrechtsdogmatik das Problem der privat-staatlichen Koordination weitgehend ignorierte. Einzelne wichtige Regelungsfelder sind in dem Rahmen der Quellenbetrachtung die Sozialversicherung, die öffentliche und private Wohlfahrt, das Arbeitsrecht, das Wirtschaftsrecht sowie die Verkehrs- und Versorgungsinfrastrukturen, doch gelangt der Verfasser am Ende seiner vielfältigen, und weiterführenden Betrachtungen zu dem Ergebnis, dass die transnationale rechtshistorische Analyse privat-staatlicher Regelungsstrukturen über weite Strecken noch ein Desiderat ist und dementsprechend viel Raum für weitere Forschung belässt, für welche seinen Werk aber eine verlässliche Ausgangsgrundlage bietet.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler