Biographisches Handbuch des geistigen Eigentums, hg. v. Apel, Simon/Pahlow, Louis/Wießner, Matthias. Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XV, 292 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.

 

Das Biographische Handbuch des Geistigen Eigentums unternimmt es, die Geschichte der Disziplin „aus der Perspektive seiner Akteure“ (Louis Pahlow) rechtshistorisch darzustellen und inhaltlich sowie bio-bibliographisch zu dokumentieren. Aus dem Bayreuther DFG-Graduiertenkolleg Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit“ (2006-2015) hervorgegangen,  verfolgen Herausgeber und Autoren den Anspruch, die Biographie von Persönlichkeiten in den  Kontext historischer Abläufe zu stellen. Das Werk füllt eine Lücke aus. Damit wird angesichts der Zäsur von 1933 zugleich eine Geschichte der Emigration vieler bedeutender Wissenschaftler und Praktiker vorgelegt. Verfolgung, Vertreibung und Ermordung einer sehr hohen Zahl dieser Gruppe sind bisher nur in Ausschnitten erforscht. Für eine umfassendere Geschichte des geistigen Eigentums zwischen 1933 und 1945 ist hier auch der Grund gelegt.

 

Die Zusammenstellung konzentriert sich auf eine Auswahl von deutschsprachigen Juristen, die das Rechtsgebiet maßgeblich geprägt haben. Die zeitliche Spannweite reicht vom 18. Jahrhundert bis in die nahe Gegenwart. Gewiss kann ein solches, aufwendiges und sehr begrüßenswertes Unterfangen keine Vollständigkeit beanspruchen. Die Auswahl ist gleichwohl sehr gut begründet. Die Größen des 18. Jahrhunderts (R. Z. Becker, J. H. Böhmer, J. A. Reimarus, J. R. Thurneysen, J.S. Pütter) stehen neben denen des 19. Jahrhunderts wie Josef Kohler, Karl von Gareis, Otto Dambach oder J. E. Hitzig. Im 20. Jahrhundert durften Philipp Allfeld, Rudolf Callmann, Kurt Haertel, Willy Hoffmann, Heinrich Hubmann, Julius Kopsch und Philipp Möhring nicht fehlen. Diethelm Klippel stellt Kohler, Louis Pahlow im dogmatischen Zusammenhang die Theorie des Immaterialgüterrechts eindrücklich dar.

 

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts agieren in diesem Feld viele Protagonisten als Professoren, Richter und Rechtsanwälte, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland verlassen mussten und von denen nur wenige zurückkehrten. Ihre nachhaltige Wirkung ist mit den Namen wie Alfred Baum oder Wenzel Goldbaum verbunden. Wandlungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeiten bewiesen nicht wenige, wie u. a. die Beispiele Kopsch, Willy Hoffmann und Hans-Otto de Boor zeigen. Ihr Einfluss für Entwicklungen nach 1933 und 1945 zählt  zu den Signaturen mancher Lebensläufe.

 

Vergessene Forscher wie der Ökonom und Soziologe Albert Schäffle wurden zurecht mit einbezogen. Schäffles Kritik an der fehlenden Wirksamkeit des Rechtsregimes bei der Alimentation von Autoren hat im 20. Jahrhundert bei Arbeiten von Machlup und Prosi bemerkenswerte Resonanz gefunden. Aus der großen Zahl der Mitarbeiter, die hier nicht alle genannt werden können, ragen Beiträge von Simon Apel, Isabella Löhr, Martin Otto, Werner Schubert und Matthias Wießner heraus. Dem  in drei Epochen wirkenden Georg Roeber ist das Portrait von Alice Struve-Urbanzcik gewidmet.

 

Jedem Leser mag eine eigene Wunschliste einfallen. Herbert Kühnemann, nach 1933 einflussreicher Ministerialbeamter, nach 1945 Präsident des Patentamtes, gehört vielleicht dazu. Die nachwirkende rechtshistorische Debatte zwischen Bappert und Pohlmann, der Erstere auch wirksam im Verlagsrecht und Internationalen Urheberrecht wäre zu nennen, für die Weimarer Zeit denkt man an die 1933 so zahlreich vertriebenen Richter und Rechtsanwälte, von denen wiederum viele Namen das Urheberrecht und das Filmrecht bestimmten. Doch musste die präsentierte Auswahl sich beschränken. Dass ein solches neu konzipiertes Werk nicht abschließend sein kann, versteht sich von selbst.

 

Die Konstruktion der Lebensläufe im Kontext der Entwicklungsgeschichte ließ sich nur bewerkstelligen, weil eine große Gruppe, vor allem der jüngeren Generation, von Rechtshistorikern und Sozialhistorikern (aus der Bayreuther Schule Diethelm Klippels und des Leipziger Sozialhistorikers Hannes Siegrist) mitwirkte.  Hier bewährte sich die interdisziplinäre Kooperation.

 

„Im Rückblick erscheint die Genese des Rechts des Geistigen Eigentums wie eine Erfolgsgeschichte“ (Louis Pahlow). Doch hat das Nachdenken über den Sinn und Zweck tradierter Legitimationsformeln begonnen. Ambivalenzen, Rückschritte und deutliche Schwerpunkte zugunsten organisierter und nichtorganisierter (Verwerter-) Interessen werden in vielen Biographien offenkundig. Eine angemessene Partizipation der schöpferischen Geister in ökonomischer und persönlichkeitsrechtlicher Hinsicht gehört weiterhin zu den Mangelerscheinungen der Disziplin. Die Grenzen von Zugangsfreiheiten und Wettbewerb werden verstärkt diskutiert (S. 7 ff).

 

Insgesamt gesehen werden neben den guten Erfolgen auch die Rückschläge in einer von brisanten ideologischen Kämpfen um Macht,  Einfluss und Fortschritte geprägten Entwicklungsgeschichte sichtbar.

 

Den Biographien ist eine Auswahl der Werke und Artikel angefügt.

 

 

Freiburg im Breisgau/Düsseldorf                                          Albrecht Götz von Olenhusen