Baumbach, Hendrik, Königliche Gerichtsbarkeit und Landfriedenssorge im deutschen Spätmittelalter (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 68). Böhlau, Wien 2017 473 S., Graph. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach dem hochmittelalterlichen mittelniederdeutschen Sachsenspiegel (Landrecht 3,26) ist der König (all)gemeiner Richter überall. In welches Land er kommt, da ist ihm das Gericht ledig, so dass er alle Klage richten kann (3,60,2). Da er aber im Laufe der Geschichte allmählich seine Gerichtsbarkeit fast vollständig an die Landesherren verliert, fragt sich, wann, wo, wie und warum dies geschieht.

 

Mit einem sehr wichtigen Teilbereich dieser Thematik beschäftigt sich die von Andreas Meyer betreute, in dem Sommersemester 2015 an dem Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften der Universität angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in fünf Sachkapitel. Sie betreffen den Reichsverband und die konsensuale Konfliktregelung im 13. Jahrhundert, die Entstehung und Durchsetzung von Delegationsformen bei der Behandlung von Konflikten (u. a. Entstehung des Hofrichteramts und Hofschreiberamts 1235), Intensivierungstendenzen und Erweiterungstendenzen im Laufe des 14. Jahrhunderts, Grenzen der gemeinschaftlichen Konfliktbehandlung und die Zeit der höfischen Konfliktverwaltung im 15. Jahrhundert.

 

Im Ergebnis seiner tiefgründigen gedankenreichen Überlegungen stellt der Verfasser fest, dass Herrschaft, die langfristig gegen Selbsthilfe erfolgreich sein wollte, alternative friedliche Konfliktbehandlungsmethoden anbieten musste, die in regelmäßiger Übung waren, funktionierten und mit steigender Wahrscheinlichkeit versprachen, ihren Festlegungen und Entscheidungen reale Konsequenzen folgen zu lassen. Die Petenten versuchten demgegenüber in den meisten Fällen einen ihnen förderlichen bestimmten Herrscherakt zu erwirken. Dabei war im Spätmittelalter die Zahl der an den König gerichteten  Konflikte so groß, dass der König selbst sich persönlich  der wenigsten Fälle annehmen konnte und deshalb auf die Verwaltungsformen an seinem Hof und im Reich angewiesen war.

 

In diesem Zusammenhang gewinnt der Verfasser aus Reichslandfrieden,  Bundesbriefen, Rechtsspiegeln, Landrechten, Gerichtsordnungen, überlieferten Gerichtsbüchern, Urkunden und Briefen erkennbar wiederkehrende Umgangsformen mit den vorgetragenen Streitfällen. In der Landfriedensbewegung lässt er den König die an den Hoftag gebundene Form der zentralen Friedenssorge zu Gunsten eines sich auf die Herrschaftsmittel aller Reichsglieder stützenden und dabei die königliche Teilnahme nicht ausschließenden  Verhaltens überwinden. An dem Beginn des 15. Jahrhunderts freilich verschwanden die königlichen Obleute und Hauptleute mit den regionalen Landfriedenseinungen auf Grund der ständischen Zentrifugalkräfte.

 

Insgesamt gelingt dem Verfasser eine überzeugende Durchdringung der vielfältigen Interessenlagen, zu denen außer den persönlichen Entscheidungen des Herrschers unterschiedliche Vermittlungen und Vertretungen zählen. Sie werden für die gesamte Zeit von Friedrich II. bis Friedrich III. ertragreich überprüft. Mit der Schaffung des Reichskammergerichts der Reichsstände unter Maximilian 1495 beginnt demgegenüber eine neue Entwicklung, welcher der Herrscher mit dem Reichshofrat durchaus erfolgreich entgegentritt.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler