Zentek, Sabine, Geschichte des Designschutzes – Industrialisierung, Beginn der Moderne, Nationalsozialismus, Nachkriegsjahre bis heute. Lelesken-Verlag, Dortmund 2016. 355 S., Abb. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.

 

In dieser Entwicklungsgeschichte des Designschutzes in zwei Jahrhunderten bis zur Gegenwart verbinden sich Rechtsgeschichte und Gesetzesgeschichte, Dogmatik und Rechtsprechung. Die Verfasserin, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Urheber- und gewerblichen Rechtsschutz, richtet den Blick auf eine wechselvolle Historie, welche vor allem im 19. Jahrhundert beginnt, aber doch nicht so umstandslos und geradlinig erfolgt wie die Geschichte des Urheberrechts. Der Beginn liegt in der Zeit der Frühindustrialisierung und normativ in einem Gesetz Preußens.

 

Über das Urhebergesetz von 1870 und den Kunst- und Musterschutz von 1876, die Normierung des Gebrauchsmusterwesens von 1891 führt dann der Weg zum Gesetz von 1907. Gebrauchserzeugnisse erfahren eine Gleichstellung mit Werken bildenden Kunst. Mit der industriellen Massenproduktion folgt parallel eine den modernen Produktionen geneigte Judikatur.

 

Jedoch immer wieder zeigen sich die Abgrenzungsprobleme zwischen Kunstwerken, Geschmacksmustern und Gebrauchsmustern sowie dem Patentrecht. Die sogenannte angewandte Kunst wird mit gewissen Schutzhindernissen bedacht. Bei funktionalen Gestaltungen wirkt die „technische Bedingtheit“ als Hemmschuh.

 

Das mit zahlreichen anschaulichen Abbildungen angereicherte Werk hat seinen Schwerpunkt in den Veränderungen während der Zeit des Nationalsozialismus. Hier wirken sich die bekannten Differenzen zwischen „guter“ und „entarteter“ Gestaltung mit den tendenziösen Zäsuren aus. Bemerkenswert sind die luziden Analysen der „Leitfälle“.  In diesem Feld liegt der Schwerpunkt der Arbeit, einer Dissertation an der Universität Düsseldorf (2015). Ideologie, Tendenz, Strukturen und das Personal der nationalsozialistischen Instanzen und Judikatur zu industriellen Erzeugnissen zwischen 1933 und 1945 werden offenherzig und kritisch beleuchtet. Gleiches gilt für die personellen und rechtlichen Kontinuitäten nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch hier wird an rechtspolitische Entwürfe der Akademie für Deutsches Recht mehr oder weniger bruchlos angeknüpft.

 

Die auf eingehenden archivalischen Grundlagen fußenden Ergebnisse belassen es nicht bei systematischen rechtshistorischen Rückblicken. Eine kritische Sicht des praktischen Schutzes von Gebrauchsprodukten will aus den begrüßenswerten Perspektiven der Verfasserin die überhöhten Ansprüche auf das vernünftige Maß zurückführen. Zwar hat das Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design seit 01. 01. 2014 das Geschmackmustergesetz abgelöst. Aber noch immer scheint die Rechtsprechung angewandte Kunst nicht mit bildender Kunst gleichsetzen zu wollen. Die Hintertür bildet dabei der Begriff der „technischen Gestaltungsspielräume“. Zwar hat man die erhöhten Anforderungen an die urheberrechtliche Gestaltung aufgehoben. Aber die Theorie des „ästhetischen Überschusses“ findet sich mehr oder weniger versteckt doch nach wie vor in Entscheidungen.

 

Rechtshistorisch ist der Ertrag dieser Pilotstudie, im Anschluss an Vorstudien, sehr beachtlich. Zum Kreis der untersuchten Fragestellungen zählt nicht der künstlerische und rechtliche Aderlass ab 1933 durch die Vertreibung jüdischer Künstler, Designer und Juristen aus Deutschland. Im Kontext der Arbeit werden jedoch in zwei lesenswerten Exkursen die Schließung des Bauhauses, die „Arisierung“  der bedeutenden Firma Loewy und die Gleichschaltung des Deutschen Werkbundes untersucht.

 

Freiburg/Düsseldorf                                                   Albrecht Götz von Olenhusen