Zechner, Johannes, Der deutsche Wald. Eine Ideengeschichte zwischen Poesie und Ideologie. Philipp von Zabern/Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2016. 447 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Erde birgt ihre unterschiedlichsten Lebewesen in vielfältigster Art und Weise. Neben dem Wasser, dem Eis, den Bergen, den Wüsten und den Steppen hat die Natur in der geschichtlichen Entwicklung auch den Wald als den mit vielen Bäumen dicht bestandenen Teil der Erdoberfläche ausgebildet. Er hält für den Menschen das Holz, das Wild und die von Anfang an bedrohte Ungebundenheit vorrätig.

 

Mit seiner Ideengeschichte zwischen 1800 und 1945 hat sich die von Uwe Puschner betreute, durch ein dreijähriges Promotionsstipendium der Heinrich-Böll-Stiftung geförderte, 2015 an dem Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin mit der Bewertung summa cum laude angenommene Dissertation (Die Natur der Nation – Beiträge zur Ideengeschichte des deutschen Waldes 1800-1945) des ab 1996 in Geschichte, Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin und Tel Aviv ausgebildeten, 2004 mit der Arbeit Ewiger Wald und ewiges Volk – zur Ideologisierung des Waldes im Nationalsozialismus graduierten, danach am  Deutschen Historischen Museum in Berlin als wissenschaftlicher Mitarbeiter und seit 2015 an dem Postdoc-Projekt „Nationen hinter Glas. Museale Repräsentationen kollektiver Identität in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika wirkenden Verfassers beschäftigt. Sie gliedert sich nach Vorwort, Einleitung und Prolog in sieben Abschnitte. Sie betreffen die Sehnsuchtswälder Ludwig Tiecks, die Freiheitswälder Joseph von Eichendorffs, die Vaterlandswälder Ernst Moritz Arndts, die Vergangenheitswälder der Brüder Grimm, die Volkswälder Wilhelm Heinrich Riehls, wilhelminische und Weimarer Wälder und schließlich nationalsozialistische Waldanschauungen.

 

Nach den Schlussbemerkungen war am Anfang der germanische Wald. Ihm folgt der Verfasser von der Poesie des frühen 19. Jahrhunderts bis zur nationalsozialistischen Ideologie, indem er die Ideengeschichte des Silvanen in der Opposition zwischen ruraler und urbaner Sphäre literarisch begleitet. Im Ergebnis der auf umfangreiche Anmerkungen am Ende (S. 251ff.) sowie ein breites Literaturverzeichnis (S. 353ff.) gestützten Untersuchung bleibt nach dem Verfasser nicht länger Desiderat, welche Bedeutung silvanen und arborealen Nationalsymbolen für die kollektive Sinnstiftung deutscher Nation im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts auf einem in Gegensatz etwa zu Frankreich stehenden „Waldsonderweg“ zukam.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler