Welsing, Marcel, Die Vorgaben des Art. 57 WSA und die konstitutionellen Verfassungen der thüringischen Staaten (= Bielefelder Studien zur Geschichte des Verfassungsrechts 1). Nomos, Baden-Baden 2016. 209 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Thüringer und das Land Thüringen sind zumindest in der Hinsicht auffällige Erscheinungen der deutschen Geschichte, als der Stamm der Toringi bereits um 400 bei Vegetius und danach mit einem 531 von den Franken eingegliederten Königreich zwischen dem Harz und der Donau bezeugt ist und nach Hermann I. von Winzenburg-Radelberg († 1122) 1131 Ludwig I. durch Kaiser Lothar von Supplinburg (Süpplingenburg) zu dem Landgrafen der 1111/1112 von Kaiser Heinrich V. neu geschaffenen Landgrafschaft Thüringen erhoben wurde, dieses Land aber seit dem Spätmittelalter vollständig zersplitterte, so dass es zur Zeit des Deutschen Bundes unter vielfältigen Wandlungen in dem Raum Thüringen bis zu 16 Staaten einschließlich einiger Exklaven und Enklaven gab (S. 22f. u. a. Reuß-Ebersdorf, Reuß-Lobenstein, Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Gotha, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen, Sachsen-Coburg-Saalfeld, Reuß-Gera, Reuß-Schleiz, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß ältere Linie). Erst 1920 entsteht dann innerhalb des Deutschen Reiches Thüringen neu. Insofern birgt die im vorliegenden Werk behandelte Thematik einen besonderen Reiz.

 

Ausgearbeitet ist sie in der von Michael Kotulla angeregten und betreuten Dissertation des als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Lehrstuhl seines Betreuers tätigen Verfassers. Gegliedert ist sie nach dem verhältnismäßig klein gedruckten Inhaltsverzeichnis in sechs Abschnitte. Sie betreffen nach einer Einleitung die thüringischen Verfassungsurkunden und das Gebiet Thüringen, die Bedeutung und Ausgestaltung des Artikels 57 der als WSA abgekürzten Wiener Schlussakte, die Auswirkungen des Artikels auf die Verfassungen der thüringischen Staaten  und das Ergebnis mit Zusammenfassung.

 

Nach seinen abschließenden zehn Thesen mutet der als Ausgangspunkt verwendete, an zahlreichen Stellen Umsetzungen in den thüringischen Verfassung der Einzelstaaten Umsetzung findende  Artikel „als ein Kunstgriff an, durch welchen ein realer Macht- und Positionsverlust des Monarchen durch die Einbettung in ein theoretisches Idealkonstrukt kaschiert wurde“. Wurde der Monarch als der Staat angesehen und war Mittelpunkt sowie Fixpunkt aller Staatsgewalt, „metamorphosierte“ er ausweislich der thüringischen Verfassungen  real zum Organ der jeweiligen Einzelstaaten, welches die ihm in der Verfassung zugestandenen Rechts auszuüben hatte. Nach den ansprechenden Erkenntnissen des Verfassers war Art. 57 der Wiener Schlussakte in der Verfassungswirklichkeit kein Schutzwall gegenüber repräsentativen Forderungen nach Mitwirkung, sondern letztlich vielmehr Einfallstor derselben in den thüringischen Verfassungen, in denen die Monarchen in einem geordneten Wandel  Einschränkungen ihrer zentralen Machtposition hinnahmen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler