Steininger, Rolf, Ein neues Land an Rhein und Ruhr. Die Entstehungsgeschichte Nordrhein-Westfalens 1945/46, 1988, unveränd. Neuaufl. in größerem Format. Kohlhammer, Stuttgart 2016. 358 S., 55 Abb. Besprochen von Werner Schubert.

 

1988 hat Steininger eine umfangreiche Edition unter dem Titel: „Die Ruhrfrage 1945/46 und die Entstehung Nordrhein-Westfalens, britische, französische und amerikanische Akten“ mit einer umfangreichen Einführung herausgegeben. Die ausführliche Einleitung wurde 1990 von der Landeszentrale für Politische Bildung Nordrhein-Westfalen ohne größere Änderungen separat herausgegeben. Der vorliegende Band stellt einen unveränderten Nachdruck des Werks von 1990 vor.

 

Das in fünf Teile gegliederte Werk bringt zunächst einen Abschnitt über die Planungen der Alliierten im Krieg (S. 28-69). In diesem Zusammenhang behandelt Steininger Vorschläge zu einer Zerstückelung Deutschlands in Einzelstaaten, den amerikanischen Morgenthau-Plan, die Pläne Frankreichs (Gründung eines Weststaats „Rhenania“ mit Westfalen und dem Ruhrgebiet), die Konferenzen in Jalta und Potsdam (französische Überlegungen über das Ruhrgebiet als internationales „Ruhrterritorium“) und die Frage einer Teilung der Rheinprovinz zugunsten der französischen Besatzungszone. Im zweiten Kapitel geht Steininger ein auf Frankreichs Forderung nach Abtrennung des Rheinlands und des Ruhrgebiets von Deutschland, die insbesondere von britischer Seite abgelehnt wurde. Im dritten Kapitel befasst sich Steininger wiederum mit der Frage einer Abtrennung des Ruhrgebiets und einer Internationalisierung oder Sozialisierung der Ruhrindustrie (S. 123-200). Obwohl Spitzenbeamte des Foreign Office für eine politische Abtrennung des Ruhrgebiets von Deutschland eintraten, setzte sich am 17. 4. 1946 im britischen Kabinett die Meinung durch, dass ein neues deutsches Land an der Ruhr begründet werden und die Ruhrindustrie entweder internationalisiert oder sozialisiert werden sollte (S. 180ff., 286ff.). Ziel der Briten war es, sowjetische Truppen und eine eventuelle Zentralregierung vom Ruhrgebiet fernzuhalten.

 

Nach den Beschlüssen des Londoner Kabinetts ging es darum, den Umfang des neuen Landes festzulegen und eine Regierung sowie ein Parlament einzusetzen. Im Mai/Juni 1946 wurde über mehrere Alternativen zum Zuschnitt des zu schaffenden Landes diskutiert (S. 263f.). Die Briten entschieden sich nicht für die Gründung von zwei Ländern, sondern für ein großes Land Nordrhein-Westfalen, das im Wesentlichen aus dem nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz und der preußischen Provinz Westfalen bestand. Die Ruhrindustrie sollte sozialisiert und als erste Stufe sollten deutsche Treuhänder für die Schlüsselindustrien ernannt werden. Die Sozialisierungsfrage wurde mit der Gründung der Bundesrepublik obsolet (S. 267). Erster Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens wurde der keiner Partei angehörende Oberpräsident der Provinz Westfalen Rudolf Amelunxen. Die Bildung des Kabinetts, an der sich die CDU nicht beteiligte, stieß auf große Schwierigkeiten (S. 256ff.). Der Abschnitt über die Reaktion der deutschen Politiker über die Gründung Nordrhein-Westfalens, über welche die Parteivorsitzenden von SPD und CDU von der britischen Besatzungsmacht erst am 15. 7. 1946 unterrichtet wurden (S. 247ff.) ist sehr knapp. Das Werk wird abgeschlossen mit der Wiedergabe von 24, dem Quellenwerk von 1988 entnommenen Dokumenten, die für die Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen von Bedeutung waren (S. 269-318). S. 319 folgt ein Verzeichnis der 14 Faksimile-Abbildungen, die wichtige Dokumente in der Originalsprache wiedergeben sowie ein Personen- und Sachregister. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn Steininger die seit 1988 erschienene einschlägige Literatur nachgetragen hätte, auch wenn sich an der (äußeren) „Gründungsgeschichte des Landes“ in den „vergangenen 26 Jahren nichts geändert“ hat (S. 6). Hingewiesen sei noch darauf, dass die innere Landesgründung von Ansgar Weißer: Die „innere“ Landesgründung von Nordrhein-Westfalen. Konflikte zwischen Staat und Selbstverwaltung um den Ausbau des Bundeslandes (1945-1953), 2012, ausführlich behandelt hat. Insgesamt ist es zu begrüßen, dass das grundlegende Werk von Steininger – gegenüber der Auflage von 1990 in größerem Format – wieder vorliegt.

 

Kiel

Werner Schubert