Spohr, Julia, In Haft bei der Staatssicherheit. Das Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen 1951-1989 (= Analysen und Dokumente 44). V & R, Göttingen 2015. 430 S., Graf., Tab. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Deutsche Demokratische Republik war zwischen 1949 und 1990 ein von der Sowjetunion gewünschter, im Laufe der Zeit international mehr und mehr anerkannter Staat, in dem Menschen mit bestimmter politischer Zielsetzung andere Menschen beherrschten. Vordergründig behaupteten die Machthaber die Verwirklichung sozialistischer Ideale. Tatsächlich unterdrückten sie alle politischen Gegner mit weltweit bekannten Mitteln und Methoden.

 

Mit einem Teilaspekt dieser allgemein menschlichen Verhaltensweisen beschäftigt sich die bis 2010 in der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen wirkende, derzeit bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit in Berlin tätige Verfasserin in ihrer zwischen 2010 und 2013 an dem Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin entstandenen, von Arnd Bauerkämper betreuten, von der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützten Dissertation. Ihre nach einer Einleitung in vier Kapitel gegliederte Untersuchung fand nach ihrem Erscheinen das unmittelbare Interesse eines sachkundigen Rezensenten. Da der Verlag kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen konnte, müssen an dieser Stelle wenige Sätze des Herausgebers genügen.

 

Gegliedert ist die gediegene Untersuchung nach einer Einleitung über Fragestellung, Aufbau, Forschungsstand und Quellenlage in vier Kapitel über die Ermittlungs- und Untersuchungshaftzentrale des Staatssicherheitsdiensts in Hohenschönhausen im Nordosten Berlins, Konjunkturen der rund 11000 Ermittlungen und Verhaftungen (von insgesamt etwa 80000 Ermittlungsverfahrens der Hauptabteilung Untersuchung), Haftalltag und Ermittlungsmethoden sowie die Rolle des Untersuchungsorgans bei Normierung und Umsetzung des politischen Strafrechts. Im Ergebnis kann die Verfasserin zeigen, dass in dem streng geheim gehaltenen Hohenschönhausen bei einem verhältnismäßig höheren Frauenanteil von 25 bis 30 Prozent die vollständige Bandbreite der politischen und die staatliche Sicherheit berührenden Straftaten untersucht wurde. Zwar sind viele der damaligen Vernehmenden auch nach 20 Jahren nach dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik davon überzeugt, stets nach Recht und Gesetz gehandelt und einer guten Sache gedient zu haben, doch wurde nach überzeugender Einschätzung der Verfasserin in Berlin-Hohenschönhausen in einem Schlüsselbereich der Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in rechtsförmigen Verfahren vielfaches Unrecht verübt, durch das viele ehemalige Insassen bis zur Gegenwart (durch sich selbst als gut einschätzende Mitmenschen) nachhaltig geschädigt wurden.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler