Schaefer, Jan Philipp, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts. Kontroversen reformorientierter Verwaltungsrechtswissenschaft (= Jus Publicum 256). Mohr Siebeck, Tübingen 2016. XIV, 514 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Nach einem geflügelten Wort wandelt sich zwar das Verfassungsrecht mit den jeweiligen politischen Veränderungen schnell und leicht, doch hat das Verwaltungsrecht grundsätzlich lange Zeit Bestand. Dass auch diese Vorstellung nur bedingt zutreffen kann, zeigt allein die Existenz des Verwaltungsrechts, weil es nicht vorgegeben ist, sondern sich in der Geschichte entwickelt hat. Dessenungeachtet ist die Umgestaltung des Verwaltungsrechts in der jüngsten Vergangenheit von besonderem Interesse, weil sie nur vom Spezialisten in Art und Ausmaß für die Allgemeinheit ermittelt und verständlich gemacht werden kann.
Dieser anspruchsvollen Aufgabe hat sich der 1977 geborene, in Bayreuth und Heidelberg ausgebildete, in Heidelberg 2006 mit einer Dissertation über die Grundlegung einer ordoliberalen Verfassungstheorie an dem Beispiel des Verbotes rechtsextremistischer Versammlungen wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung promovierte, danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut für Staatsrecht, Verfassungslehre und Rechtsphilosophie tätige, 2013 mit der vorliegenden Schrift habilitierte und nach dem Vorspann seitdem an der Universität München als Lehrstuhlvertreter wirkende Verfasser gestellt. Er gliedert diesen nach dem Tode des viel zu früh verstorbenen Lehrers Winfried Brugger von Paul Kirchhof und Wolfgang Kahl begutachteten Ertrag seiner Heidelberger Jahre in insgesamt neun Abschnitte. Sie betreffen den Sachgegenstand neue Verwaltungsrechtswissenschaft, dessen wissenschaftstheoretische und methodische Aspekte, Horizont und Entwicklungsperspektiven, die Verwaltungsmodernisierung in Recht und Praxis, die Europäisierung des Verwaltungsrechts, den Wandel vom Vollzug zur Verhandlung, das öffentliche Recht und Privatrecht im Auffangverbund, den Wettbewerb im Verwaltungsrecht in Bezug auf Privatisierung, Regulierung und regulierte Selbstregulierung und das Verhältnis der neuen Verwaltungsrechtswissenschaft zu dem Rechtsstaat.
Im vielfältigen, überzeugenden Ergebnis ermittelt der Verfasser in gründlicher, weiterführender Auseinandersetzung mit der Literatur vor allem seit Ernst Forsthoff, Max Weber und Niklas Luhmann Häutungen des Leviathan zum schlanken und aktivierenden Staat, zum Gewährleistungsstaat und zum Staat der Informationsgesellschaft. Als besonders gewichtig erweisen sich dabei ideengeschichtlich die Einflüsse der Europäisierung auf die nationale Rechtsordnung und die Anstöße der sozialwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Nachbarwissenschaften in Richtung auf eine Managementorientierung. Inwieweit sie sich auf den Alltag der staatlichen Verwaltung des Bürgers vor Ort tatsächlich auswirken werden, wird freilich wohl erst die Zukunft tatsächlich zeigen können.
Innsbruck Gerhard Köbler