Sälter, Gerhard, Phantome des kalten Krieges. Die Organisation Gehlen und die Wiederbelebung des Gestapo-Feindbildes „Rote Kapelle“. Ch. Links Verlag, Berlin 2016. 554 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch teilt die Mitmenschheit auf Grund seiner egoistischen Sonderinteressen vielfach, wenn nicht gar immer in Freunde und Feinde ein. Freunde müssen nach Möglichkeit gefördert und unterstützt werden, Feinde dagegen bekämpft und notfalls auch vernichtet. Hierzu ist vor allem im Geheimen grundsätzlich jedes Mittel einigermaßen losgelöst von der geltenden Rechtsordnung recht.

 

Mit einem Teilaspekt dieser Problematik beschäftigt sich das vorliegende umfangreiche Werk des 1962 geborenen, in den Jahren 1984 bis 1992 in Geschichte mit Philosophie und politischer Wissenschaft an der Freien Universität Berlin ausgebildeten, nach der Promotion über Polizei und soziale Ordnung in Paris. Zur Entstehung und Durchsetzung von Normen im städtischen Alltag des Ancien Régime (1697-1715) (2004) als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gedenkstätte Bautzen und des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiensts in Sachsen, der Gedenkstätte Berliner Mauer und der unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendiensts 1945 bis 1968 in Marburg tätigen Verfassers. Es gliedert sich nach Vorbemerkung und Einleitung in neun Abschnitte. Sie betreffen die Anfänge der Organisation Gehlen als eines Apparats gegen „fünfte Kolonnen“ und „Kryptokommunisten“, den Beginn der Operation „Fadenkreuz“, Experten (Heinrich Reiser), Diskurse und Erpressung, die Konstruktion einer internationalen Spionageorganisation, die leitenden Ermittler (Albert, Moritz, Erich Heidschuch, Rohrscheidt, Grimm, Zander, Hans Sommer, Carl Schütz, Friedrich Busch, Puchta, Beißwenger) als Männer mit Vergangenheit, Verdächtigungen und Ermittlungen, den konservativen Widerstand, ehrgeizige Pläne u. a. in Zusammenhang mit dem Fall John und ein langsames Ende.

 

Im Ergebnis seiner vielfältigen und packend dargestellten  Nachforschungen kann der Verfasser darlegen, dass die Organisation Gehlen mit der Übernahme von Personal aus nationalsozialistischer Zeit auch damalige Vorstellungen weiterführte. Dementsprechend ermittelte sie gegen eine kommunistische Spionageorganisation „Rote Kapelle“, die gar nicht bestand. Als eigentliche Ziele der entsprechenden Tätigkeiten  sieht der Verfasser die Denunziation von Gegnern des Nationalsozialismus, um einerseits sie aus dem öffentlichen Leben der Westzonen und der Bundesrepublik auszuschließen und andererseits die eigene Daseinsberechtigung abzusichern.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler