Moralisierung des Rechts. Kontinuitäten und Diskontinuitäten nationalsozialistischer Normativität, hg. im Auftrag des Fritz Bauer Instituts v. Konitzer, Werner (= Jahrbuch 2014 zur Geschichte und Wirkung des Holocaust). Campus, Frankfurt am Main 2014. 246 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Rechtsgeschichte geht von der Vorstellung aus, dass die Anfänge des Rechtes mit der Moral eng verbunden waren. weswegen die gedankliche Trennung des Rechtes von der Moral in der  Neuzeit als Erfolg gefeiert wurde. Seitdem ist aber immer wieder auch die Verbindung gefordert worden, sei es dass das Recht der Moral unterworfen werden wollte, sei es dass das formal rechtlich Machbare an höchtse Werte der Moral gebunden werden sollte. Von daher ist die Frage nach der Moralisierung des Rechtes, wenn schon vielleicht nicht zeitlos, so doch immer wieder aktuell.

 

Der vorliegende Sammelband geht in seinem Vorwort von der Zielsetzung nationalsozialistischer Rechtstheoretiker aus, den Unterschied zwischen Recht und Moral so weit wie möglich aufzuheben und etwa sittliche Pflicht, Anständigkeit, Ehre und Treue auch als Rechtsbegriffe zu verstehen. Da die Erforschung moralischer Einstellungen während des Nationalsozialismus und die Frage nach den Kontinuitäten und Brüchen in der Tradierung dieser Einstellungen seit Jahren ein Schwerpunkt der Arbeit des Fritz Bauer Instituts ist, entstand dort in Workshops der Plan, in einer Vortragsreihe von Juristen und Philosophen einzelne Themenbereiche aus der Sicht der Moralphilosophie und der Rechtswissenschaft (Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte) zu beleuchten. Die meisten der  im vorliegenden, in enger Zusammenarbeit mit Lena Foljanty entwickelten Band versammelten Beiträge sind in  dem Rahmen dieser Vortragsreihe entstanden.

 

Insgesamt umfasst das Werk neun vielfältige Studien. Sie betreffen Aspekte der Rechtsentwicklung in dem nationalsozialistischen System der 1930er Jahre, Arbeit und Gemeinschaft  im nationalsozialistischen und frühbundesrepublikanischen Recht, Ehe und Homosexualität im frühbundesrepublikanischen Rechtssystem, fortwirkende Einflüsse aus nationalsozialistischer Zeit auf das Strafrecht als Ausdruck übergreifender Entwicklungslinien im Strafrecht, die Entdeckung des Unrechtsstaats, den Begriff Rasse, Kontinuitäten und Brüche am Beispiel von Otto Friedrich Bollnows einfacher Sittlichkeit, Karl Jaspers‘ Schuldfrage und die Vorgeschichte des SS-Bekenntnisses Hans Egon Holthusens und seiner Kontroverse mit Jean Améry. Für die weitere Verwertung und Diskussion der zahlreichen neuen Einzeleinsichten der allgemeinen und vielleicht nicht wirklich zu lösenden Gesamtproblematik hätte vielleicht auf ein Sachregister hilfreich sein können.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler