Leidecker, Melanie, Das ist die Top-Geschichte des Tages!. Die Aufmacher-Artikel deutscher Tageszeitungen im Vergleich (= Medien in Geschichte und Gegenwart 30). Böhlau, Wien 2015. 389 S., Abb., Graf. Besprochen von Gerhard Köbler.
Da Wissen Macht ist, strebt der Mensch nach möglichst wertvollem Wissen. In diesem Wettbewerb hat sich in der frühen Neuzeit die Zeitung ausgebildet, darunter seit 1650 die Tageszeitung. Weil ihr Absatz unmittelbar - sowie über Werbung inzwischen zunehmend mittelbar - zu Einkünften führt, muss es Ziel der Zeitungsmacher sein, einen möglichst hohen Anteil an dem Lesermarkt auf sich zu ziehen.
Mit einem Teilaspekt dieser interessanten Thematik beschäftigt sich die von Jürgen Wilke betreute, 2013 von dem Fachbereich 02 der Universität Mainz angenommene Dissertation der inzwischen als wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Institut für Kommunikationspsychologie und Medienpädagogik der Universität Koblenz-Landau tätigen Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in sechs Abschnitte. Sie betreffen die Definition Aufmacher-Artikel (auf der ersten Seite in dem oberen Blickfeld über dem Bruch), die Relevanz, die journalistische Selektion und ihre Folgen, die historische Entwicklung, die Entstehung in der Redaktion und den Inhalt.
Auf Grund von 876 Aufmachern verschiedener Jahre fünfer deutscher Tageszeitungen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Bild-Zeitung, Mainzer Allgemeine Zeitung und Sächsische Zeitung) sowie Experteninterviews konnte sie überzeugend zeigen, dass die journalistische Definition des Aufmachers mit der kommunikationswissenschaftlichen Definition übereinstimmt (Artikel mit der größten Überschrift auf der ersten Seite mit grundsätzlich auch den meisten Spalten). Entwickelt hat sich der Aufmacherartikel schlagartig in der Julikrise des Jahres 1914 vor Ausbruch des ersten Weltkriegs. Wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung ist die endgültige, meist am Nachmittag vor der Auslieferung festgelegte Formulierung Chefsache ranghoher Redakteure.
Was interessant, attraktiv und spannend ist, wird dabei zum Teil einigermaßen unterschiedlich beurteilt. 58 Prozent aller Aufmacherinhalte sind exklusive Meldungen (vor allem der Bildzeitung und der Sächsischen Zeitung). Da die gedruckte Zeitung gegenüber den digitalen Verbreitungsmöglichkeiten vermutlich immer im Nachteil sein wird, ist es nach dem ansprechenden Ausblick der Verfasserin offen, wie die Zukunft des Aufmacherartikels tatsächlich aussehen wird.
Innsbruck Gerhard Köbler