Laudage, Christiane, Das Geschäft mit der Sünde – Ablass und Ablasswesen im Mittelalter. Herder, Freiburg im Breisgau 2016. 351 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Menschen haben gern Macht über Mitmenschen, wozu sie auch behauptetes Mehrwissen verwenden, mit dessen Hilfe sie den anderen ungelöste und vielleicht unlösbare Rätsel des Lebens klären können wollen. Auf dieser Grundlage sind nicht nur die Wissenschaften entstanden, sondern auch die die Vernunft nur bedingt verwendenden Religionen der Menschheit. In diesem Rahmen spielt die Sünde des Menschen und ihr Ausgleich zwecks Vermeidung von Pein und Gewinnung von Heil im Christentum eine wesentliche Rolle.
Mit der dabei bedeutsamen Thematik des Ablasses beschäftigt sich die vorliegende, mit einigen einfachen Abbildungen und zahlreichen Anmerkungen am Ende versehene Studie der unter ihrem Namen nach Ausweis des Karlsruher Virtuellen Katalogs 2012 erstmals mit einer Geschichte der Gegenpäpste literarisch hervorgetretenen, als Dr. phil promovierten und bei der Katholischen Nachrichtenagentur in Bonn im Bereich Archiv/Dokumentation tätigen Verfasserin. Sie gliedert sich in drei Teile. Sie betreffen den Weg des aus der kirchlichen Buße des ersten Jahrtausends in Südfrankreich und Nordspanien zu Gunsten romanischer Neubauten von Kirchen und Klöstern im 11. Jahrhundert entstandenen Ablasswesens vom Rand in die Mitte, das Ablasswesen im Kontext und die Plenarablässe seit dem ersten Kreuzzug.
Mit dieser Entstehung am Übergang vom Frühmittelalter zum Hochmittelalter ordnet sich der Ablass vorzüglich in den wirtschaftsgeschichtlichen Wandel von der Naturalwirtschaft zu der Geldwirtschaft ein. Die damit verbundene religionsgeschichtliche Problematik führt allerdings am Ende des Mittelalters zu heftiger, die Reformation der Kirche unter dem geflügelten Wort „wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt“ bezweckender Kritik an der Ökonomisierung der vielleicht eher oder besser mit der Gnade Gottes zu verbindenden Religion. Ziel des für eine breite Leserschaft gedachten Werkes ist in erster Linie die Hinterfragung der Vorstellung von dem Geschäft mit der Sünde zu Gunsten des Verständnisses einer Eintrittskarte ins Paradies, in dessen Rahmen über Jahrhunderte Gläubige unter kirchlichem Anstoß versuchten, zugleich Trost auf Erden und Hoffnung für die Zeit nach dem Tode zu finden.
Innsbruck Gerhard Köbler