Königseder, Angelika, Walter de Gruyter, Ein Wissenschaftsverlag im Nationalsozialismus. Mohr Siebeck, Tübingen 2016. 321 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das Alter eines Unternehmens kann ein Beweis für seine Leistungskraft und seinen Erfolg sein. Dementsprechend sind in der Gegenwart deutsche Verlage besonders stolz auf ihr hohes Alter und suchen gerne nach frühen Wurzeln. Für die Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Co. waren dies im Januar 1919 der Georg Reimer Verlag (1749), die Verlagsbuchhandlung I. Guttentag, der Karl I. Trübner Verlag, die G. J. Göschen’sche Verlagshandlung und Veit & Comp., die zusammen 434 Titel herstellten.
Für die vorliegende Geschichte des Wissenschaftsverlags im Nationalsozialismus hat sich unmittelbar nach dem Erscheinen ein sachkundiger Rezensent interessiert. Leider konnte der vom Verlag De Gruyter bewusst verschiedene Verlag bisher kein Rezensionsexempalr zur Verfügung stellen. Aus diesem Grunde muss es mit einer kurzen Anzeige des Herausgebers an dieser Stelle vorläufig sein Bewenden haben.
Gegliedert ist das interessante Werk der 1966 geborenen Verfasserin in insgesamt sechs Abschnitte. Sie betreffen nach Vorwort und Einführung die Gründungsgeschichte, die Neuausrichtung der Literaturpolitik nach der nationalsozialistischen Machtübernahme, die Frage, ob zwischen 1933 und 1939 die nationalsozialistische Ideologie Einzug in den Verlagsalltag hielt, die Zeit zwischen 1939 und 1945, wichtige Programmbereiche (Sammlung Göschen, juristische Literatur, Altertumswissenschaften und Altphilologie, Theologie, Zeitschriften und periodisch erscheinende Veröffentlichungen) und schließlich Kriegsende und Neubeginn. Im Ergebnis mussten sich nach der Überzeugenden Ansicht der Verfasserin privatwirtschaftliche Verleger dann, wenn sie von dem ökonomischen Aufschwung des Buchhandels während der nationalsozialistischen Herrschaft profitieren wollten, an den Vorgaben des Regimes ausrichten (und sich etwa von jüdischen Autoren und Herausgebern trennen), was auch für den Schwiegersohn de Gruyters (Herbert Cram) galt, so dass sich letztlich der Verlag Walter de Gruyter nicht vom Großteil der mittelständischen Unternehmen unterschied, die sich in dem nationalsozialistischen Deutschen Reich einrichteten und opportunistisch vom Aufschwung profitierten.
Innsbruck Gerhard Köbler