Heindl, Waltraud, Josephinische Mandarine. Bürokratie und Beamte in Österreich, Band 2 1848-1914 (= Studien zu Politik und Verwaltung 107). Böhlau, Wien 2013. 332 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der vom Menschen geschaffene Staat hat, wie vieles auf der Welt, stets zwei Seiten. In der Innensicht der Herrschenden ist vieles, wenn schon nicht alles, bestmöglich gestaltet. In der Außensicht der Beherrschten bestehen infolge der Menschlichkeit der Herrschenden zahllose Schwierigkeiten, welche das wenige Positive und Notwendige zu überwuchern drohen.
Nach dem Vorwort der im Institut für Geschichte der Universität als Universitätsprofessorin im Ruhestand tätigen Herausgeberin schien es vor zwanzig Jahren, als ihr Buch über Gehorsame Rebellen – Bürokratie und Beamte in Österreich 1780 bis 1848 veröffentlicht wurde (2. Auflage 2013), als ob eine bürokratische Tradition am Leben wäre, die seit der späten maria-theresianischen Zeit in der österreichischen Monarchie aufgebaut wurde und die Geschichte Österreichs über allen Wandel hinweg prägte. Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde dann ein Bürokratieabbau eingeleitet, der die Zahl der Beamten reduzierte, die Pragmatisierung grundsätzlich abschaffte und die Beamten in den Stabsstellen durch Angestellte und persönliche Berate ersetzte, um die Arbeitsverhältnisse im Staatsdienst den Arbeitsverhältnissen außerhalb des Staatsdiensts anzugleichen.
Der aus diesem Blickwinkel vorgelegte zweite Band der wichtigen Untersuchung der Verfasserin gliedert sich nach einem kurzen Vorwort in insgesamt acht Abschnitte. Sie betreffen eine Spurensuche nach Bürokratie und Beamten (einschließlich zweier Realitäten der Bürokratie), die Frage nach einem Wendepunkt im Jahre 1848, das neoabsolutistische Experiment, die Frage nach einem Neubeginn im Verfassungsstaat, das soziale Umfeld des Beamten in der bürgerlichen Gesellschaft einschließlich des privaten Alltags, Fremdbilder und Selbstzeugnisse in der Literatur, das Verhältnis von Josephinismus und Moderne um 1900 sowie eine Bilanz. Einen roten Faden der insgesamt sehr eindrucksvollen Leistung bildet dabei die je nach der Seite doch auch einigermaßen unterschiedlich und differenziert beantwortbare Frage, ob (und inwieweit) das Subsystem Bürokratie das Allgemeinsystem Gesellschaft (zwischen 1780 bzw. 1848 und 1914 positiv) beeinflusste.
Innsbruck Gerhard Köbler