Gisawi, Feras, Der Grundsatz der Totalreparation. Naturrechtliche Wertungen als Grundlage für einen deutschen Sonderweg. Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XVII, 299 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In den Welten von Gütern und Vermögen entstehen fortlaufend Schäden als unfreiwillige Einbußen an rechtlich geschützten Gütern auf Grund bestimmter Ereignisse. Die einfachste und vielleicht auch älteste Lösungsmöglichkeit unter den Menschen ist der Satz, dass der Herr den Schaden trägt. Da diese Folge aber sehr oft nicht als annehmbar erscheint, wurde in dem Laufe der Geschichte ein vielfältiges Schadensersatzrecht ausgebildet, das sehr oft den Schaden auf einen anderen abwälzt, der ihn dem Geschädigten ersetzen muss.

 

Mit einem Teilbereich dieser Problematik beschäftigt sich die von Nils Jansen betreute, in dem Wintersemester 2013/2014 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der  Universität Münster des 1978 geborenen, in Düsseldorf ausgebildeten und  zunächst in Düsseldorf und dann in Münster an dem Lehrstuhl seine Betreuers tätigen Verfassers. Sie gliedert sich außer in eine Einleitung über den Ausgangspunkt, den Untersuchungsgegenstand sowie die Methode und den Gang der Untersuchung und ein Ergebnis mit Ausblick  in drei zeitlich geordnete Sachkapitel. Sie betreffen das ältere Naturrecht (Hugo Grotius, Samuel Pufendorf, Christian Thomasius, Christian Wolff), das jüngere Naturrecht (Immanuel Kant und die ihm folgenden Naturrechtslehrer) und die historische Rechtsschule und die Pandektistik in ihrem Verhältnis zu dem Naturrecht.

 

Das Ziel der sorgfältigen Untersuchung war es, Inhalt und Ursprung der rechtspolitischen Grundüberzeugungen zu ermitteln, die in dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900 die Einführung der Totalreparation (alles oder nichts, § 249 I BGB) als Sonderweg gedanklich überlagerten. Nach den Erkenntnissen das Verfassers war seit Thomasius alleiniger Ausgangspunkt und Bezugspunkt der Schadensersatzpflicht das – nicht zu verletzende – Recht des Rechtsträgers. Die historische Rechtsschule und die Pandektistik haben trotz Ablehnung des Naturrechts das Schadensersatzrecht ebenfalls allein auf den Berechtigten ausgerichtet und außerjuristische Wertungen vielfach bewusst ausgeblendet und damit die stets uneingeschränkte Totalreparation durchgesetzt, die nach der Mutmaßung des Verfassers als deutscher Sonderweg in einem künftigen gemeineuropäischen Schadensersatzrecht kaum ihre bisherige Bedeutung behalten dürfte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler