Eberle, Henrik, „Ein wertvolles Instrument“ - Die Universität im Nationalsozialismus. Böhlau Verlag, Köln Weimar Wien, 2015, 898 S., 89 Abb., 4 Tab., 12 Dok.

 

Unter sorgfältiger Auswertung insbesondere von Beständen des Bundesarchivs, des Universitätsarchivs Greifswald und weiterer Archive hat der Hallenser Historiker eine umfangreiche Studie zur Geschichte der Universität Greifswald vorgelegt. Bereits im Mai 1933 wurde die Universität nach dem auf Rügen geborenen Historiker und Publizisten als ‚Ernst – Moritz – Arndt - Universität‘ benannt. Wie auch an anderen Universitäten ist es überraschend zu sehen, in welcher Geschwindigkeit die Umgestaltung zu einer systemnahen Ausbildungsstätte erfolgte. Die einzelnen Schritte dahin sind gut dokumentiert. Soweit Professoren und andere Wissenschaftler von ihren Forschungsstätten vertrieben wurden, war es immer wieder beschämend zu sehen, dass sich niemand zu ihrer Unterstützung bereit fand. Kollegialer Neid und Furcht vor eigener Verfolgung waren oft Anhaltspunkte zum Nichtstun. Die Studentenführer der Universität nutzten sehr bewusst die ihnen vom neuen System gebotenen Möglichkeiten der Einflussnahme auf Unterrichtsgestaltung, Personalauswahl und gelegentlich auch Forschungsinhalte. Leider zeigt der Autor nicht in vergleichbarer Weise die Vertreter der Dozentenschaft, die gerade für die Auswahl des wissenschaftlichen Nachwuchses und bei Besetzungen von Professuren überaus einflussreich waren. Die reichsweite Koordination bei der Reichsdozentenführung in München ist aus Akten schwer darstellbar, da diese Akten weitgehend vernichtet sind; erst aus einer Vielzahl von Personalvorgängen könnte der Einfluss der Reichsdozentenführung gezeigt werden. Aufgabe einer Rezension kann es nicht sein, jede Nennung einer Person auf Richtigkeit zu prüfen. Jedoch ist ersichtlich die Angabe zu einem Guenther-Hans Grüninger falsch. Im Reichserziehungsministerium war ab 1937 der Oberregierungsrat Dr. Hans-Albrecht Grüninger (1906-1985) bei dem Abteilungsleiter Dr. Otto Wacker tätig. Als dieser sich 1939 zurückzog, wechselte Grüninger zur Parteikanzlei und wurde dann dort Ministerialrat. Die Informationen über den weithin geschätzten Germanisten Wolfgang Stammler (S. 544f.) zeigen einesteils, in welchem Umfange die Bedeutung von Orden und anderen Ehrenzeichen auch ‚Normalpersonen‘ korrumpierten konnten, andererseits sind spätere persönliche Auffälligkeiten schon in Ansätzen erkennbar. Soweit das Strafverfahren gegen Heinz Baumkötter in Münster (S. 525f.) erwähnt wird, so ist dem Autor der Abdruck des Urteils in Rüters Sammlung von Strafurteilen wegen NSG–Verbrechen entgangen. In den Text sind 12 verschiedene Dokumente eingerückt worden, die leider nicht im Anhang mit Fundstellen und Inhalt angegeben sind, so dass der Benutzer diese Quellen nur zufällig findet. Als tragisch ist das Schicksal des Rektors Lohmeyer (S. 592 - 600) zu betrachten, der sich 1945 um eine Nichtzerstörung der Stadt Greifswald bemühte und später eine möglichst frühzeitige Wiedereröffnung der Universität erstrebte. Seine Hinrichtung zeigt, warum viele Männer der ersten Stunde mit guten Gründen die sowjetische Besatzungszone fluchtartig nach Westen verließen. Unscheinbar in den Text eingefügt ist ein biographisches Lexikon des engeren Lehrkörpers der Universität (1933 – 1945) (S. 620 – 855). Als Index professorum widmen andere Universitäten einer solchen Aufstellung gern einen eigenen Band; der vorliegende Teil  hat eine besondere Aufmerksamkeit verdient. Die Angaben zu den einzelnen Personen sind gründlich ermittelt und quellenmäßig gut belegt. Gerade für Personen, die einen Teil ihres wissenschaftlichen Lebens in Greifswald verbrachten, ist hier eine beachtliche Ergänzung zu finden. Ob Friedrich Wiegand, der bereits 1926 emeritiert wurde und dann 1934 in München verstarb, noch in dieses Verzeichnis aufgenommen werden musste, mag man bezweifeln.

 

Neu-Ulm                                                                                                        Ulrich-Dieter Oppitz