Die Urkunden Ludwigs des Frommen, hg. v. Kölzer, Theo unter Mitwirkung von Clausen, Jens-Peter/Eichler, Daniel/Mischke, Britta/Patt, Sarah/Zwierlein, Susanne u. a. (= Monumenta Germaniae Historica, Die Urkunden der Karolinger 2). Harrassowitz, Wiesbaden 2016. 3 Bände, LXXXVII, 1-576, 577-1241, 1243-1676 S., 1 Schema, 7 Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Chasseneuil bei Poitiers während des Spanienfeldzugs Karls des Großen zwischen Juni und August 778 von der Ehefrau Hildegard in einer Zwillingsgeburt geborene und in Ingelheim am Rhein am 20. Juni 840 gestorbene Ludwig (der Fromme) war seit 781 König (Unterkönig) Aquitaniens, seit 813 Kaiser und als Nachfolger seines Vaters seit 814 König der Franken. Obwohl er 830 und 833/834 vorübergehend abgesetzt wurde, beherrschte er das von seinem Vater hinterlassene Reich mehr als 25 Jahre. Die Größe seines Vaters erreichte er allerdings nicht und auch die kurz nach seinem Tode erfolgende Reichsteilung nahm er im Grunde in einem als ordinatio imperii bezeichneten Plan des Jahres 817 bereits voraus.
Dessenungeachtet ist eine möglichst sachkundige Edition der von Ludwig geschaffenen Urkunden seit langem ein bedeutendes geschichtswissenschaftliches Desiderat. Nach langen Vorläufen, über die der Herausgeber in seinem Vorwort detailliert berichtet, ist diese Lücke unter Verzicht auf freie wissenschaftliche Forschung nunmehr in rund zehnjähriger intensiver Arbeit etwa 1200 Jahre nach dem Herrschaftsantritt Ludwigs erfreulicherweise geschlossen. Damit ist die Veröffentlichung der Urkunden der Könige und Kaiser des fränkisch-deutschen Reiches einen ganz wichtigen Schritt vorangekommen.
In seiner umfangreichen Einleitung bietet der Herausgeber zunächst einen allgemeinen geschichtlichen Überblick, der die Alleinherrschaften Karls des Großen und Ludwigs des Frommen als historische Zufälle einstuft. Danach schildert er den Urkundenbestand, der 418 Urkunden umfasst, deren Überlieferung aus rund 200 Archiven und Bibliotheken stammt. Davon sind 92 Urkunden (22 Prozent) noch im Original überliefert. 91 Urkunden sind als Fälschungen eingestuft, 38 Urkunden als interpoliert erkannt, wodurch sich entsprechend der allgemeinen Abnahme der Manipulationen seit den Merowingern insgesamt nur noch etwa ein Drittel der Urkunden als manipuliert erweist.
Ermittelt sind insgesamt 198 Urkundenempfänger, unter denen Saint-Denis, Aniane, Farfa, Le Mans, Prüm, Kempten, Corvey und Fulda an der Spitze stehen. In der klaren Minderheit sind erwartungsgemäß laikale Empfänger. Insgesamt 51 Urkunden richten sich an namentlich genannte geistliche und weltliche Einzelempfänger.
Ausführlich betrachtet der Herausgeber im Anschluss an diese Ausführungen die Kanzlei. Dabei hat sich für ihn nur in 52 Originalen eine auch in anderen Urkunden begegnende Hand ergeben. Dementsprechend stammen 40 Originale von nur in dem betreffenden Stück nachweisbaren Händen.
Weitere Abschnitte der detaillierten Einleitung betreffen die äußeren Merkmale, die Siegel und die inneren Merkmale sowie den Diktatvergleich und die Inhalte. Ihnen folgt eine hilfreiche editorische Vorbemerkung. Den Beschluss bildet ein Verzeichnis der Zeichen und Abkürzungen und der durchgängig benutzten Datenbanken.
Die Edition selbst beginnt m mit einer Bestätigung von „Besitz“ und Immunität der zu dem Kloster Saint-Hilaire in Poitiers gehörigen Zelle Nouaillé vom 3. August 794. Mit der Bestätigung eines von Abt Tancrad von Prüm mit Fulbert geschlossenen Tauschvertrags vom 15. Oktober 823 setzt der zweite Teilband ein. Er endet mit dem Dep.† 229 für das Kloster S. Maria Maggiore in Mailand von 814-840 und einem Appendix aus den Formulae imperiales mit 55 Nummern, aus (21) Briefen und (4) Unterfertigungen sowie sechs Spuria moderna.
Der dritte Band schließt den Inhalt durch vorzügliche Register auf. Dazu gehören Namenregister der Personen und Orte, Wort- und Sachregister, ein Empfängerverzeichnis, eine archivalische Übersicht, ein Quellen- und Literaturverzeichnis, Konkordanzen und eine Übersicht über die zitierten Merowingerurkunden und Karolingerurkunden. Sechs Seiten addenda und corrigenda zeugen offen davon, dass der Herausgeber und seine Mitarbeiter die größtmöglichen Anstrengungen unternommen haben, um der globalen geschichtlichen Wissenschaft eine nach derzeitigem Stand wohl bestmögliche Ausgabe der Urkunden eines bedeutenden fränkisch-deutschen Kaisers und Königs zur Verfügung zu stellen, wofür ihnen kaum genug gedankt werden kann.
Innsbruck Gerhard Köbler