Detjen, Joachim, Politische Erziehung als Wissenschaftsaufgabe. Das Verhältnis der Gründergeneration der deutschen Politikwissenschaft zur politischen Bildung. Nomos, Baden-Baden 2016. 558 S.

 

Politik lässt sich ganz allgemein als Einflussnahme von Menschen auf die weitere Entwicklung verstehen, in einem engeren Sinn als die zumindest angestrebte Regelung von Angelegenheiten einer Gesamtheit durch Entscheidungen zwecks Gestaltung. In diesem Sinne besteht Politik allgemein seit der Entstehung des Menschen und in einem engeren Sinn seit der Bildung von Gesamtheiten. Zu einer eigenen Wissenschaft wurde die Politik als politische Wissenschaft oder Politikwissenschaft nach Anfängen in dem 18. Jahrhundert (politische Wissenschaft, Kameralwissenschaft, Policeywissenschaft) in Deutschland unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Ende des zweiten Weltkriegs.

 

Mit einem Teilaspekt dieser neueren Anfänge beschäftigt sich das vorliegende, kompakte Werk des in Buxtehude 1948 geborenen, nach einer mehrjährigen Tätigkeit bei der Bundeswehr in Politikwissenschaft, Germanistik, Erziehungswissenschaft und Philosophie in Hamburg ausgebildeten, 1986 mit einer Dissertation über die politische Philosophie des Pluralismus promovierten, von 1986 bis 1995 als Lehrer in Buxtehude, von 1995 bis 1997 für Politikwissenschaft und Didaktik der Gemeinschaftskunde an der pädagogischen Hochschule Karlsruhe und von 1997 bis zu der Emeritierung 2013 für Politikwissenschaft – politische Bildung an der katholischen Universität Eichstätt tätigen Verfassers. Nach dem Vorwort ist die Studie das nach mehr als viereinhalb Jahren Forschung entstandene Ergebnis einer sechzehnjährigen Betrachtung des Überschneidungsbereichs von Politikwissenschaft und politischer Bildung. Ausgangspunkt war dabei die Erkenntnis, dass die gegenwärtige Politikwissenschaft, von Ausnahmen abgesehen, der politischen Bildung kein oder höchstens geringes Interesse entgegenbringt.

 

Zwecks Vergleichs der jetzigen mit der früheren Lage untersucht der Verfasser nach einer allgemeineren bildungspolitischen Einrahmung der frühen Politikwissenschaft detailliert und sorgfältig die Positionierungen  der Gründergeneration der deutschen Politikwissenschaft zur politischen Bildung. Betrachtet werden dabei in alphabetischer Reihenfolge mit unterschiedlichen, individuellen Thematisierungsschwerpunkten die 18 Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth, Arnold Bergstraesser, Theodor Eschenburg, Gert von Eynern, Ossip K. Flechtheim, Ernst Fraenkel, Michael Freund, Carl Joachim Friedrich, Otto Heinrich von der Gablentz, Arcadius R. L. Gurland, Ferdinand A. Hermens, Eugen Kogon, Siegfried Landshut, Gerhard Leibholz, Carlo Schmid, Otto Stammer, Dolf Sternberger und Eric Voegelin. Im Ergebnis kann der Verfasser ansprechend feststellen, dass die Gründergeneration eine aufklärende Bildungsfunktion der Politikwissenschaft  bejahte, woraus er den Schluss zieht, dass diese Einstellung entgegen dem Verständnis vieler gegenwärtiger Fachvertreter der Politikwissenschaft auch heute noch Bedeutung haben sollte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler