Bichat, Thomas, Die Staatsanwaltschaft als rechts- und kriminalpolitische Steuerungsinstanz im NS-Regime, dargestellt am Beispiel des Kölner Sondergerichts von 1933-1945 (= Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte 22). Nomos, Baden-Baden 2016. 423 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die in einer langen Entwicklung seit dem 14. Jahrhundert in Frankreich im Zuge der Revolution von 1789 eingerichtete Staatsanwaltschaft wird in der Regel als ein dem Angeklagten günstiger rechtsstaatlicher Fortschritt angesehen. Daneben stärkt sie aber auch die ausführende Staatsgewalt gegenüber der Unabhängigkeit erlangenden Gerichtsbarkeit. Dem entspricht es, ihre Bedeutung als rechts- und kriminalpolitische Steuerungsinstanz besonders zu untersuchen.

 

Mit einem Teilaspekt dieser Thematik beschäftigt sich die von Mathias Schmoeckel betreute, in dem Rahmen des interdisziplinären Kölner Forschungsverbunds Justiz im Krieg – der Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939-1945 entstandene, 2014 von der Universität Bonn angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich außer in eine Einleitung über den Ansatz, den Forschungsstand, das Forschungsziel, Thesen, Methode, Gang der Untersuchung sowie Quellenbericht und ein klares und kurzes Gesamtfazit in zwei chronologisch gereihte Kapitel. Sie betreffen die Vorkriegszeit zwischen 1933 und 1939 einerseits und die Kriegszeit 1939-1945 anderseits, wobei jeweils zwischen der Rolle der Staatsanwaltschaft, dem Vorverfahren, dem Hauptverfahren und dem Gnadenverfahren unterschieden wird.

 

Im Ergebnis ermittelt der Verfasser, dass die Staatsanwaltschaft zwar schon vor 1933 auf verschiedenen Feldern Kompetenzzuwächse verzeichnen konnte, dass aber 1933 in Verwirklichung nationalsozialistischer Zielsetzungen eine völlige Neubewertung der Stellung und Aufgaben stattfand, wobei neben personellen Maßnahmen ein Ausbau der Kompetenzen  gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten  und eine Intensivierung von Lenkungsmaßnahmen durchgeführt wurden. In Köln war dabei durchgängig das Bestreben erkennbar, die politischen Vorgaben aus Berlin möglichst vollständig umzusetzen. Dementsprechend war die angestrebte Instrumentalisierung der Anklagebehörde aus der Sicht der nationalsozialistischen Justizführung weitgehend erfolgreich, weshalb der Verfasser abschließend überzeugend vor den Gefahren  eines bis in die Gegenwart bestehenden Justizsystems mit einem weisungsgebundenen Staatsanwalt als Ankläger warnt, weil bei entsprechenden Rahmenbedingungen ein vorgegebener allgemeiner Handlungsrahmen für eine weitgehend regimekonforme Strafrechtspraxis genügen kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler