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Abs. 228 [1-65] mittelalterlichen Phantasie des Königs machte und dazu beitrug, daß der König über historische Formfragen und reichsgeschichtliche Erinnerungen die Gelegenheiten zu praktischem Eingreifen in die Entwicklung der Gegenwart versäumte. Das tempus utile für Einrichtung des Dreikönigsbundes wurde dilatorisch mit nebensächlichen Formfragen ausgefüllt, bis Oestreich wieder stark genug war, um Sachsen und Hanover zum Rücktritt zu vermögen, so daß beide Mitbegründer dieses Dreibundes in Erfurt ausfielen. Während des Erfurter Parlaments, in einer von dem General von Pfuel geladenen Gesellschaft, kamen vertrauliche Nachrichten einiger Abgeordneten zur Sprache über die Stärke der östreichischen Armee, die sich in Böhmen sammelte und dem Parlament als Gegengewicht und Correctiv dienen sollte. Es wurden verschiedene Zahlen, 80000 und 130000 Mann angegeben. Radowitz hörte eine Zeit lang ruhig zu und sagte dann mit dem ihm eignen Ausdruck unwiderleglicher Gewißheit auf seinen regelmäßigen Zügen in entscheidendem Tone: "Oestreich hat in Böhmen 28254 Mann und 7132 Pferde." Die Tausende, die er angab, sind mir obiter in Erinnerung, die übrigen Ziffern setze ich nach Gutdünken hinzu, nur um die erdrückende Genauigkeit der Angaben des Generals anschaulich zu machen. Natürlich brachten diese Zahlen aus dem Munde des amtlichen und competenten Vertreters der preußischen Regirung einstweilen jede abweichende Meinung zum Schweigen. Wie stark die östreichische Armee im Frühjahr 1850 in Böhmen gewesen ist, wird heut wohl feststehn; daß sie zur Olmützer Zeit erheblich mehr als 100000 Mann betrug, habe ich annehmen müssen *) *und hält sich so seiner Sache gewiß. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 498 Wenn ich heut auf diese Vorgänge zurückblicke, so scheint es mir, daß die drei oder sechs Führer, gegen welche ich die conservative Fraction aufwiegelte, im Grunde dem Könige gegenüber Recht hatten. Die Erste Kammer war zur Lösung der Aufgaben, welche einer solchen im constitutionellen Leben zufallen, befähigter als das heutige Herrenhaus. Sie genoß in der Bevölkerung eines Ansehns, welches das Herrenhaus sich bisher nicht erworben hat. Das letztre hat zu einer hervorragenden politischen Leistung nur in der Conflictszeit Gelegenheit gehabt und sich damals durch die furchtlose Treue, mit der es zur Monarchie stand, auf dem defensiven Gebiete der Aufgabe eines Oberhauses völlig gewachsen gezeigt. Es ist wahrscheinlich, daß es in kritischen Lagen der Monarchie dieselbe tapfere Festigkeit beweisen wird. Ob es aber für Verhütung solcher Krisen in den scheinbar friedlichen Zeiten, in denen sie sich vorbereiten können, denselben Einfluß ausüben wird, wie jene Erste Kammer gethan hat, ist mir zweifelhaft. Es verräth einen Fehler in der Constitution, wenn ein Oberhaus in der Einschätzung der öffentlichen Meinung ein Organ der Regirungspolitik oder selbst der königlichen Politik wird. Nach der preußischen Verfassung hat der König mit seiner Regirung an und für sich einen gleichwerthigen Antheil an der Gesetzgebung, wie jedes der beiden Häuser; er hat nicht nur sein volles Veto, sondern die ganze vollziehende Gewalt, vermöge deren die Initiative in der Gesetzgebung factisch und die Ausführung der Gesetze auch rechtlich der Krone zufällt. Das Königthum ist, wenn es sich seiner Stärke bewußt ist und den Muth hat, sie anzuwenden, mächtig genug für eine verfassungsmäßige Monarchie, ohne eines ihm gehorsamen Herrenhauses als einer Krücke zu bedürfen. Auch wenn das Herrenhaus in der Conflictszeit sich für die ihm zugehenden Etatsgesetze (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 757 [1-227] den ersten Tagen des Frühlings machte damals die zum Hofe gehörige Welt ihren Spaziergang in dem Sommergarten zwischen dem Pauls-Palais und der Newa. Dort war es dem Kaiser aufgefallen, daß in der Mitte eines Rasenplatzes ein Posten stand. Da der Soldat auf die Frage, weshalb er da stehe, nur die Auskunft zu geben wußte: es ist befohlen, so ließ sich der Kaiser durch seinen Adjutanten auf der Wache erkundigen, erhielt aber auch keine andre Aufklärung, als daß der Posten Winter und Sommer gegeben werde. Der ursprüngliche Befehl sei nicht mehr zu ermitteln. Die Sache wurde bei Hofe zum Tagesgespräch und gelangte auch zur Kenntniß der Dienerschaft. Aus dieser meldete sich ein alter Pensionär und gab an, daß sein Vater ihm gelegentlich im Sommergarten gesagt habe, während sie an der Schildwache vorbeigegangen: "Da steht er noch immer und bewacht die Blume; die Kaiserin Katharina hat an der Stelle einmal ungewöhnlich früh im Jahre ein Schneeglöckchen wahrgenommen und befohlen, man solle sorgen, daß es nicht abgepflückt werde." Dieser Befehl war durch Aufstellung einer Schildwache zur Ausführung gebracht worden, und seitdem hatte der Posten Jahr aus Jahr ein gestanden. Dergleichen erregt unsre Kritik und Heiterkeit, ist aber ein Ausdruck der elementaren Kraft und Beharrlichkeit, auf denen die Stärke des russischen Wesens dem übrigen Europa gegenüber beruht. Man erinnert sich dabei der Schildwachen, die während der Ueberschwemmung in Petersburg 1825, im Schipka-Passe 1877 nicht abgelöst wurden, und von denen die Einen ertranken, die Andern auf ihren Posten erfroren. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 865 Am 26. Juni hatte der Kaiser mich nach Fontainebleau eingeladen und machte mit mir einen längern Spaziergang. Im Laufe der Unterhaltung über politische Fragen des Tages und der letzten Jahre fragte er mich unerwartet, ob ich glaubte, daß der König geneigt sein würde, auf eine Allianz mit ihm einzugehn. Ich antwortete, der König hätte die freundschaftlichsten Gesinnungen für ihn, und die Vorurtheile, die früher in der öffentlichen Meinung bei uns in Betreff Frankreichs geherrscht hätten, seien so ziemlich verschwunden; aber Allianzen seien das Ergebniß der Umstände, nach denen das Bedürfniß oder die Nützlichkeit zu beurtheilen sei. Eine Allianz setze ein Motiv, einen bestimmten Zweck voraus. Der Kaiser bestritt die Nothwendigkeit einer solchen Voraussetzung; es gäbe Mächte, die freundlich zu einander ständen, und andre, bei denen das weniger der Fall sei. Angesichts einer ungewissen Zukunft müsse man sein Vertrauen nach irgend einer Seite richten. Er spreche von einer Allianz nicht mit der Absicht eines abenteuerlichen Projects; aber er finde zwischen Preußen und Frankreich eine Conformität der Interessen und darin die Elemente einer entente intime et durable. Es würde ein großer Fehler sein, die Ereignisse schaffen zu wollen; man könne ihre Richtung und Stärke nicht vorausberechnen, aber man könne sich ihnen gegenüber einrichten, se prémunir, en avisant aux moyens, pour y faire face (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 977 Das Vorwiegen der dynastischen Anhänglichkeit und die Unentbehrlichkeit einer Dynastie als Bindemittel für das Zusammenhalten eines bestimmten Bruchtheils der Nation unter dem Namen der Dynastie ist eine specifisch reichsdeutsche Eigenthümlichkeit. Die besondern Nationalitäten, die sich bei uns auf der Basis des dynastischen Familienbesitzes gebildet haben, begreifen in sich in den meisten Fällen Heterogene, deren Zusammengehörigkeit weder auf der Gleichheit des Stammes, noch auf der Gleichheit der geschichtlichen Entwicklung beruht, sondern ausschließlich auf der Thatsache einer in vielen Fällen anfechtbaren Erwerbung durch die Dynastie nach dem Rechte des Stärkern, oder des erbrechtlichen Anfalls vermöge der Verwandschaft, der Erbverbrüderung, oder der bei Wahlcapitulationen von dem kaiserlichen Hofe erlangten Anwartschaft. Welches immer der Ursprung dieser particularistischen Zusammengehörigkeit in Deutschland ist, das Ergebniß derselben bleibt die Thatsache, daß der einzelne Deutsche leicht bereit ist, seinen deutschen Nachbarn und Stammesgenossen mit Feuer und Schwert zu bekämpfen und persönlich zu tödten, wenn infolge von Streitigkeiten, die ihm selbst nicht verständlich sind, der dynastische Befehl dazu ergeht. Die Berechtigung und Vernünftigkeit dieser Eigenthümlichkeit zu prüfen, ist nicht die Aufgabe eines deutschen Staatsmannes, so lange sie sich kräftig genug erweist, um mit ihr rechnen zu können. Die Schwierigkeit, sie zu zerstören und zu ignoriren, oder die Einheit theoretisch zu fördern, ohne Rücksicht auf dieses praktische Hemmniß, ist für die Vorkämpfer der Einheit oft verhängnißvoll gewesen, namentlich bei Benutzung der günstigen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 55 [2-22] nicht in einer Stärke vor, die hinreichte, um die leidenschaftlichen Kämpfe zu motiviren, welche die Fractionen gegen einander glauben ausfechten zu müssen und Conservative und Freiconservative in getrennte Lager verweisen. Auch innerhalb der conservativen Partei haben wohl viele das Gefühl, daß sie mit der Kreuzzeitung und ihrem Zubehör nicht im Einverständnisse sind. Aber die prinzipielle Scheidelinie in einem Programme zu präcisiren und überzeugend auszudrücken, würden auch die Führer und Unterführer für eine schwere Aufgabe halten, grade so wie confessionelle Fanatiker, und nicht blos Laien, in der Regel der Nothwendigkeit ausweichen, oder die Auskunft schuldig bleiben, wenn man sie nach den unterscheidenden Merkmalen der verschiedenen Bekenntnisse und Glaubensrichtungen und nach dem Schaden fragt, welchen sie für ihr Seelenheil befürchten, wenn sie eine der Abweichungen des Andersgläubigen nicht angriffsweise bekämpfen. So weit die Parteien sich nicht lediglich nach wirthschaftlichen Interessen gruppiren, kämpfen sie im Interesse der rivalisirenden Führer der Fractionen und nach deren persönlichem Willen und Streberthum; nicht Verschiedenheit von Prinzipien, sondern Kephisch oder Paulinisch? ist die Frage. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 133 [2-40] was selten und vorübergehend der Fall war. Wenn auch gelegentlich das Gefühl der bairischen Protestanten verletzt wurde, so hat sich die Empfindlichkeit darüber niemals in Gestalt einer Erinnerung an Preußen geäußert. Uebrigens wäre auch nach einer solchen Beschneidung der bairische Stamm von den Alpen bis zur Oberpfalz in der Verbitterung, in welche die Verstümmelung des Königreichs ihn versetzt haben würde, immer als ein schwer zu versöhnendes und nach der ihm innewohnenden Stärke gefährliches Element für die zukünftige Einigkeit zu betrachten gewesen. Es gelang mir jedoch in Nikolsburg nicht, dem Könige meine Ansichten über den zu schließenden Frieden annehmbar zu machen. Ich mußte daher Herrn von der Pfordten, der am 24. Juli dorthin gekommen war, unverrichteter Sache abreisen lassen und mich mit einer Kritik seines Verhaltens vor dem Kriege begnügen. Er war ängstlich, die östreichische Anlehnung vollständig aufzugeben, obgleich er sich auch dem Wiener Einfluß gern entzogen hätte, wenn es ohne Gefahr möglich war; aber Rheinbunds-Velleitäten, Reminiscenzen an die Stellung, die die deutschen Kleinstaaten unter französischem Schutze von 1806 bis 1814 gehabt hatten, waren bei ihm nicht vorhanden ein ehrlicher und gelehrter, aber politisch nicht geschickter deutscher Professor. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 175 Es geschah hauptsächlich unter dem Einfluß dieser Erwägungen auf dem Gebiete der auswärtigen Politik, daß ich mich entschloß, jeden Schachzug im Innern danach einzurichten, ob der Eindruck der Solidität unsrer Staatskraft dadurch gefördert oder geschädigt werden könne. Ich sagte mir, daß das nächste Hauptziel die Selbständigkeit und Sicherheit nach Außen sei, daß zu diesem Zwecke nicht nur die thatsächliche Beseitigung innern Zwiespaltes, sondern auch jeder Schein davon nach dem Auslande und in Deutschland vermieden werden müsse; daß, wenn wir erst Unabhängigkeit von dem Auslande hätten, wir auch in unsrer innern Entwicklung uns frei bewegen könnten, wir uns dann so liberal oder so reactionär einrichten könnten, wie es gerecht und zweckmäßig erschiene; daß wir alle innern Fragen vertagen könnten bis zur Sicherstellung unsrer nationalen Ziele nach Außen. Ich zweifelte nicht an der Möglichkeit, der königlichen Macht die nöthige Stärke zu geben, um unsre innere Uhr richtig zu stellen, wenn wir erst nach Außen die Freiheit erworben haben würden, als große Nation selbständig zu leben. Bis dahin war ich bereit, der Opposition nach Bedürfniß black-mail zu zahlen, um zunächst unsre volle Kraft und in der Diplomatie den Schein dieser einigen Kraft und die Möglichkeit in die Wagschale werfen zu können, im Falle der Noth auch revolutionäre Nationalbewegungen gegen unsre Feinde entfesseln zu können. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 196 [2-64] Entwicklung gelegen hätte. Dazu wäre vor Allem erforderlich gewesen, daß er nicht mit der, unklugerweise noch immer von der öffentlichen Meinung verurtheilten russischen Assistenz geführt wurde. Die deutsche Einheit mußte ohne fremde Einflüsse zu Stande kommen, aus eigner nationaler Kraft. Ueberdies hatte der innere Conflict, von dem der König bei meinem Eintritt in das Ministerium bis zu dem Entschlusse zur Abdication beeindruckt war, an Herrschaft über seine Entschließungen erheblich eingebüßt, seitdem er Minister gefunden hatte, die bereit waren, seine Politik offen, ohne Winkelzüge zu vertreten. Er hatte seitdem die Ueberzeugung gewonnen, daß die Krone, wenn es zum revolutionären Bruche gekommen wäre, stärker gewesen sein würde; die Einschüchterungen der Königin und der Minister der neuen Aera hatten ihre Kraft verloren. Dagegen hielt ich in meinen Vorträgen mit meiner Ansicht von der militärischen Stärke, die ein deutsch-russisches Bündniß, namentlich im ersten Anlauf haben würde, nicht zurück. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 198 [2-65] Gleich gute Führung und gleiche Tapferkeit bei den großen Heeren vorausgesetzt, liegt in der territorialen Gestaltung der einzelnen Machtgebiete eine große Stärke der deutsch-russischen Combination, wenn sie von Hause aus sicher zusammenhält. Die Berechnung militärischen Erfolges und der Glaube an einen solchen sind aber an sich unsicher und werden noch unsichrer, wenn die veranschlagte diesseitige Macht keine einheitliche ist, sondern auf Bündnissen beruht. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 200 [2-66] wird. Obwohl der König die Frage nicht in demselben Maße wie ich unter den deutsch-nationalen Gesichtspunkt zog, so unterlag er doch nicht der Versuchung, der Ueberhebung der östreichischen Politik und der Landtagsmajorität, der Geringschätzung, die beide der preußischen Krone bezeigten, im Bunde mit Rußland ein gewaltthätiges Ende zu machen. Wenn er auf die russische Zumuthung einging, so würden wir bei der Schnelligkeit unsrer Mobilisirung, bei der Stärke der russischen Armee in Polen und bei der damaligen militärischen Schwäche Oestreichs wahrscheinlich, mit oder ohne den Beistand der damals noch unbefriedigten Begehrlichkeit Italiens, Oestreich übergelaufen haben, bevor Frankreich ihm wirksame Hülfe leisten konnte. Wenn man sicher gewesen wäre, daß das Ergebniß dieses Ueberlaufens ein Dreikaiserbündniß unter Schonung Oestreichs gewesen wäre, so wäre meine Beurtheilung der Situation vielleicht nicht zutreffend zu nennen gewesen. Aber diese Sicherheit war Angesichts der divergirenden Interessen Rußlands und Oestreichs im Orient nicht vorhanden; es war kaum wahrscheinlich und auch der russischen Politik nicht zusagend, daß eine siegreiche preußisch- russische Coalition Oestreich gegenüber auch nur mit dem Maße von Schonung verführe, welches von preußischer Seite 1866 im Interesse der Möglichkeit künftiger Wiederannäherung beobachtet worden ist. Ich fürchtete deshalb, daß wir im Falle unsres Sieges über die Zukunft Oestreichs mit Rußland nicht einig sein würden, und daß Rußland selbst bei weitern Erfolgen gegen Frankreich nicht darauf werde verzichten wollen, Preußen in einer unterstützungsbedürftigen Stellung an seiner Westgrenze zu erhalten; am allerwenigsten wäre von Rußland eine Hülfe für eine nationale Politik im Sinne der preußischen Hegemonie zu erwarten gewesen. Tilsit, Erfurt, Olmütz und andre historische Erinnerungen sagten: vestigia terrent. Kurz, ich hatte nicht das Vertrauen zu der Gortschakowschen Politik, daß wir auf dieselbe Sicherheit rechnen könnten, welche Alexander I. 1813 gewährte, bis die Zukunftsfragen, was aus Polen und Sachsen werden und ob Deutschland gegen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 333 In dem Geffckenschen Tagebuche findet sich die Andeutung, daß wir unsre Stärke nicht gekannt hätten; die Anwendung dieser Stärke in damaliger Gegenwart wäre die Schwäche der Zukunft Deutschlands geworden. Das Tagebuch ist wohl nicht damals auf den Tag geschrieben, sondern später mit Wendungen vervollständigt worden, durch die höfische Streber den Inhalt glaublich zu machen suchten. Ich habe meiner Ueberzeugung, daß es gefälscht sei, und meiner Entrüstung über die Intriganten und Ohrenbläser, die sich einer arglosen und edlen Natur wie Kaiser Friedrich aufdrängten, in dem veröffentlichten Immediatberichte 1) Ausdruck gegeben. Als ich diesen schrieb, hatte ich keine Ahnung davon, daß der Fälscher in der Richtung von Geffcken, dem hanseatischen Welfen, zu suchen sei, den seine Preußenfeindschaft seit Jahren nicht gehindert hatte, sich um die Gunst des preußischen Kronprinzen zu bewerben, um diesen, sein Haus und seinen Staat mit mehr Erfolg schädigen, selbst aber eine Rolle spielen zu können. Geffcken gehörte zu den Strebern, die seit 1866 verbittert waren, weil sie sich und ihre Bedeutung verkannt fanden. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 349 In Versailles hatte ich vom 5. bis 9. November mit dem Grafen Ledochowski, Erzbischofe von Posen und Gnesen, Verhandlungen gehabt, die sich vorwiegend auf die territorialen Interessen des Papstes bezogen. Gemäß dem Sprichwort Eine Hand wäscht die andre machte ich ihm den Vorschlag, die Gegenseitigkeit der Beziehungen zwischen dem Papste und uns zu bethätigen durch päpstliche Einwirkung auf die französische Geistlichkeit im Sinne des Friedensschlusses, immer in Sorge, wie ich war, daß eine Einmischung der neutralen Mächte uns die Früchte der Siege verkümmern könne. Ledochowski und in engern Grenzen Bonnechose, Cardinal-Erzbischof von Rouen, machten bei verschiedenen Mitgliedern des hohen Clerus den Versuch, sie zu einer Einwirkung in dem bezeichneten Sinne zu bestimmen, hatten mir aber nur von einer kühlen, ablehnenden Aufnahme ihrer Schritte zu berichten, woraus ich entnahm, daß es der päpstlichen Macht entweder an Stärke oder an gutem Willen fehlen müsse, uns im Sinne des Friedens eine Hülfe zu gewähren, werthvoll genug, um die Verstimmung der deutschen Protestanten und der italienischen Nationalpartei und der letztern Rückwirkung auf die zukünftigen Beziehungen beider Völker (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 498 [2-176] in unserm Verfahren einen Mißbrauch der gewonnenen Stärke erblickt haben, und Jedermanns Hand, einschließlich der centrifugalen Kräfte im Reiche selbst, würde dauernd gegen Deutschland erhoben oder am Degen gewesen sein. Grade der friedliche Charakter der deutschen Politik nach den überraschenden Beweisen der militärischen Kraft der Nation hat wesentlich dazu beigetragen, die fremden Mächte und die innern Gegner früher, als wir erwarteten, wenigstens bis zu einem tolerari posse mit der neudeutschen Kraftentwicklung zu versöhnen und das Reich zum Theil mit Wohlwollen, zum Theil als einstweilen annehmbaren Friedenswächter sich entwickeln und festigen zu sehn. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 751 Directe Bedrohung des Friedens zwischen Deutschland und Rußland ist kaum auf anderm Wege möglich, als durch künstliche Verhetzung oder durch den Ehrgeiz russischer oder deutscher Militärs von der Art Skobelews, die den Krieg wünschen, bevor sie zu alt werden, um sich darin auszuzeichnen. Es gehört ein ungewöhnliches Maß von Dummheit und Verlogenheit in der öffentlichen Meinung und in der Presse Rußlands dazu, um zu glauben und zu behaupten, daß die deutsche Politik von aggressiven Tendenzen geleitet worden sei, indem sie das östreichische und dann das italienische Defensivbündniß abschloß. Die Verlogenheit war mehr polnisch-französischen, die Dummheit mehr russischen Ursprungs. Polnisch-französische Gewandheit hat auf dem Felde der russischen Leichtgläubigkeit und Unwissenheit den Sieg über den Mangel solcher Gewandheit davongetragen, in dem je nach den Umständen eine Stärke oder Schwäche der deutschen Politik liegt. In den meisten Fällen ist eine offne und ehrliche Politik erfolgreicher als die Feinspinnerei früherer Zeiten, aber sie bedarf, wenn sie gelingen soll, eines Maßes von persönlichem Vertrauen, das leichter zu verlieren als zu erwerben ist. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 757 Dieser Eventualität gegenüber ist es ein Vortheil für uns, daß Oestreich und Rußland entgegengesetzte Interessen im Balkan haben, und daß solche zwischen Rußland und Preußen-Deutschland nicht in der Stärke vorhanden sind, daß sie zu Bruch und Kampf Anlaß geben könnten. Dieser Vortheil kann aber vermöge der russischen Staatsverfassung durch persönliche Verstimmungen und ungeschickte Politik noch heut mit derselben Leichtigkeit aufgehoben werden, mit der die Kaiserin Elisabeth durch Witze und bittre Worte Friedrichs des Großen bewogen wurde, dem französisch-östreichischen Bunde gegen uns beizutreten. Zuträgereien, wie sie damals zur Aufhetzung Rußlands dienten, Erfindungen und Indiscretionen werden auch heut an beiden Höfen nicht fehlen; aber wir können Unabhängigkeit und Würde Rußland gegenüber wahren, ohne die russische Empfindlichkeit zu provociren und Rußlands Interessen zu schädigen. Verstimmung und Erbitterung, welche ohne Nothwendigkeit provocirt werden, sind heut so wenig ohne Rückwirkung auf die geschichtlichen Ereignisse, wie zur Zeit der Kaiserin Elisabeth von Rußland und der Königin Anna von England. Aber die Rückwirkung von Ereignissen, die dadurch gefördert werden, auf das Wohl und die Zukunft der Völker ist heut zu Tage gewaltiger als vor 100 Jahren. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 767 Die Gefahr auswärtiger Kriege, die Gefahr, daß der nächste auf der Westgrenze uns gegenüber die rothe Fahne ebenso gut wie vor hundert Jahren die dreifarbige in's Gefecht führen könne, lag zur Zeit von Schnäbele und Boulanger vor und liegt noch heut vor. Die Wahrscheinlichkeit eines Krieges nach zwei Seiten hin ist durch den Tod von Katkow und Skobelew in etwas vermindert: es ist nicht nothwendig, daß ein französischer Angriff auf uns Rußland mit derselben Gewißheit gegen uns in das Feld rufen würde, wie ein russischer Angriff Frankreich; aber die Neigung Rußlands, still zu sitzen, hängt nicht allein von Stimmungen, sondern mehr noch von technischen Fragen der Bewaffnung zu Wasser und zu Lande ab. Wenn Rußland mit der Construction seines Gewehrs, der Art seines Pulvers und der Stärke seiner Schwarzen-Meer- Flotte seiner Meinung nach fertig ist, so wird die Tonart, in der heut die Variationen der russischen Politik gehalten sind, vielleicht einer freiern Platz machen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 770 Ich glaube auch nicht, daß Rußland, wenn es fertig ist, ohne Weitres Oestreich angreifen würde, und bin noch heut der Meinung, daß die Truppenaufstellung im russischen Westen auf keine direct aggressive Tendenz gegen Deutschland berechnet ist, sondern nur auf die Vertheidigung im Falle, daß Rußlands Vorgehn gegen die Türkei die westlichen Mächte zur Repression bestimmen sollte. Wenn Rußland sich für ausreichend gerüstet halten wird, wozu eine angemessene Stärke der Flotte im Schwarzen Meere gehört, so wird, denke ich mir, das Petersburger Cabinet, ähnlich wie es in dem Vertrage von Hunkiar-Iskelessi 1833 verfahren, dem Sultan anbieten, ihm seine Stellung in Konstantinopel und den ihm verbliebenen Provinzen zu garantiren, wenn er Rußland den Schlüssel zum russischen Hause, d. h. zum Schwarzen Meere, in der Gestalt eines russischen Verschlusses des Bosporus gewährt. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)