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Abs. 178 [1-46] die Frage des Gehorsams gegen militärische Befehle nicht berührt haben würde. Auch das Einrücken größerer Truppenmassen in Berlin nach dem Zeughaussturme und ähnlichen Vorgängen würde nicht blos von den Soldaten, sondern auch von der Mehrheit der Bevölkerung als dankenswerthe Ausübung eines zweifellosen königlichen Rechts aufgefaßt worden sein, wenn auch nicht von der Minderheit, welche die Leitung übte; und auch wenn die Bürgerwehr sich hätte widersetzen wollen, so würde sie bei den Truppen nur den berechtigten Kampfeszorn gesteigert haben. Ich kann mir kaum denken, daß der König im Sommer an seiner materiellen Macht, der Revolution in Berlin ein Ende zu machen, Zweifel gehabt haben sollte, vermuthe vielmehr, daß Hintergedanken rege waren, ob nicht die Berliner Versammlung und der Friede mit ihr und ihrem Rechtsboden unter irgend welchen Constellationen direct oder indirect nützlich werden könne, sei es in Combinationen mit dem Frankfurter Parlamente oder gegen dasselbe, sei es, um nach andern Seiten hin in der deutschen Frage einen Druck auszuüben, und ob der formale Bruch mit der preußischen Volksvertretung die deutschen Aussichten compromittiren könne. Den Umzug in den deutschen Farben setze ich allerdings nicht auf Rechnung solcher Neigungen des Königs; er war damals körperlich und geistig so angegriffen, daß er Zumuthungen, die ihm mit Entschiedenheit gemacht wurden, wenig Widerstand entgegensetzte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 377 In dieser Situation trieb die Wochenblattspartei, wie sie auch genannt wurde, ein merkwürdiges Doppelspiel. Ich erinnere mich der umfangreichen Denkschriften, welche die Herrn unter sich austauschten und durch deren Mittheilung sie mitunter auch mich für ihre Sache zu gewinnen suchten. Darin war als ein Ziel aufgestellt, nach dem Preußen als Vorkämpfer Europas zu streben hätte, die Zerstückelung Rußlands, der Verlust der Ostseeprovinzen mit Einschluß von Petersburg an Preußen und Schweden, des Gesammtgebiets der Republik Polen in ihrer größten Ausdehnung und die Zersetzung des Ueberrestes durch Theilung zwischen Großund Klein-Russen, abgesehn davon, daß fast die Mehrheit der Klein-Russen schon dem Maximalgebiet der Republik Polen gehört hatte. Zur Rechtfertigung dieses Programms wurde mit Vorliebe die Theorie des Freiherrn von Haxthausen-Abbenburg (Studien über die inneren Zustände, das Volksleben und insbesondere die ländlichen Einrichtungen Rußlands) benutzt, daß die drei Zonen mit ihren einander ergänzenden Producten den hundert Millionen Russen, wenn sie vereinigt blieben, das Uebergewicht über Europa sichern müßten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 910 In der That war mir jeder Gedanke an Abdication des Königs fremd, als ich am 22. September in Babelsberg empfangen wurde, und die Situation wurde mir erst klar, als Se. Majestät sie ungefähr mit den Worten präcisirte: "Ich will nicht regiren, wenn ich es nicht so vermag, wie ich es vor Gott, meinem Gewissen und meinen Unterthanen verantworten kann. Das kann ich aber nicht, wenn ich nach dem Willen der heutigen Majorität des Landtags regiren soll, und ich finde keine Minister mehr, die bereit wären, meine Regirung zu führen, ohne sich und mich der parlamentarischen Mehrheit zu unterwerfen. Ich habe mich deshalb entschlossen, die Regirung niederzulegen, und meine Abdicationsurkunde, durch die angeführten Gründe motivirt, bereits entworfen." Der König zeigte mir das auf dem Tische liegende Actenstück in seiner Handschrift, ob bereits vollzogen oder nicht, weiß ich nicht. Se. Majestät schloß, indem er wiederholte, ohne geeignete Minister könne er nicht regiren. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1133 Nachdem der König auf der Rückreise von Baden-Baden (31. August) nach Berlin so nahe an Frankfurt vorüber gefahren war, daß der entschlossene Wille, sich nicht zu betheiligen, zu Tage lag, wurde die Mehrheit oder wurden wenigstens die mächtigsten Fürsten von einem Unbehagen erfaßt bei dem Gedanken an den Reformentwurf, der sie, wenn Preußen fern blieb, mit Oestreich allein in einem Verbande ließ, in dem sie nicht durch die Rivalität der beiden Großmächte gedeckt waren. Das Wiener Cabinet muß an die Möglichkeit geglaubt haben, daß die übrigen Bundesfürsten auf die dem Congreß am 17. August gemachte Vorlage auch dann eingehn würden, wenn sie in dem reformirten Bundesverhältniß schließlich mit Oestreich allein geblieben wären. Man würde sonst nicht den in Frankfurt verbliebenen Fürsten die Zumuthung gemacht haben, die östreichische Vorlage auch ohne Preußens Zustimmung anzunehmen und in die Praxis überzuführen. Die Mittelstaaten wollten aber in Frankfurt weder eine einseitig preußische, noch eine einseitig östreichische Leitung, sondern für sich ein möglichst einflußreiches Schiedsamt im Sinne der Trias, welches jede der beiden Großmächte auf das Bewerben um die Stimmen der Mittelstaaten anwies. Die östreichische Zumuthung, auch ohne Preußen abzuschließen, wurde beantwortet durch den Hinweis auf die Nothwendigkeit neuer Verhandlungen mit Preußen und die Kundgebung der eignen Neigung zu solchen. Die Form der Beantwortung der östreichischen Wünsche war nicht glatt genug, um in Wien keine Empfindlichkeit zu erregen. Die Wirkung auf den Grafen Rechberg, vorbereitet durch die guten Beziehungen, in denen unsre Frankfurter Collegenschaft abgeschlossen hatte, war, daß er sagte, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1235 Die vielen Geschäfte bei der Cur waren unvermeidlich, weil der Reichstag durch die Schwierigkeiten, die er bezüglich meiner Vertretung machte, und gegen die aufzutreten ich damals nicht gesund genug war, mich nöthigte, die Contrasignaturen auch im Urlaub beizubehalten. Es war dies eins der Mittel, durch welche die Mehrheit im Reichstage die Einführung jener Institution zu erkämpfen sucht, welche sie unter der Bezeichnung "verantwortlicher Reichsminister" versteht, und gegen die ich mich jederzeit abwehrend verhalte, nicht um der alleinige Minister zu bleiben, sondern um die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesraths und seiner hohen Vollmachtgeber zu wahren. Nur auf Kosten der letztern könnten die erstrebten Reichsministerien geschäftlich dotirt werden, und damit würde ein Weg in der Richtung der Centralisirung eingeschlagen, in der wir das Heil der deutschen Zukunft, wie ich glaube, vergebens suchen würden. Es ist, meines unterthänigsten Dafürhaltens, nicht nur das verfassungsmäßige Recht, sondern auch die politische Aufgabe meiner außerpreußischen Collegen im Bundesrath, mich im Kampfe gegen die Einführung solcher Reichsministerien offen zu unterstützen, und dadurch klar zu stellen, daß ich bisher nicht für die ministerielle Alleinherrschaft des Kanzlers, sondern für die Rechte der Bundesgenossen und für die ministeriellen Befugnisse des Bundesraths eingetreten bin. Ich darf annehmen, Eurer Majestät Intentionen entsprochen zu haben, wenn ich mich in diesem Sinne schon Pfretzschner gegenüber ausgesprochen habe, und ich bin überzeugt, daß Eurer Majestät Vertreter im Bundesrath selbst und in Verbindung mit andern Collegen mir einen Theil des Kampfes gegen das Drängen des Reichstages nach verantwortlichen Reichsministerien durch ihren Beistand abnehmen werden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1248 [1-366] der Unterstützung gegen diese Gefahr von Seiten der Mehrheit des Reichstags, drängt schließlich den deutschen Fürsten, ihren Regirungen und allen Anhängern der staatlichen Ordnung eine Solidarität der Nothwehr auf, welcher die Demagogie der Redner und der Presse nicht gewachsen sein wird, so lange die Regirungen einig und entschlossen bleiben, wie sie es gegenwärtig sind. Der Zweck des Deutschen Reiches ist der Rechtsschutz; die parlamentarische Thätigkeit ist bei Stiftung des bestehenden Bundes der Fürsten und Städte als ein Mittel zur Erreichung des Bundeszweckes, aber nicht als Selbstzweck aufgefaßt worden. Ich hoffe, daß das Verhalten des Reichstags die verbündeten Regirungen der Nothwendigkeit überheben wird, die Consequenzen dieser Rechtslage jemals praktisch zu ziehn. Aber ich bin nicht gewiß, daß die Mehrheit des jetzt gewählten Reichstags schon der richtige Ausdruck der zweifellos loyal und monarchisch gesinnten Mehrheit der deutschen Wähler sein werde. Sollte es nicht der Fall sein, so tritt die Frage einer neuen Auflösung in die Tagesordnung. Ich glaube aber nicht, daß ein richtiger Moment der Entscheidung darüber schon in diesem Herbst eintreten könne. Bei einem neuen Appell an die Wähler wird die wirthschaftliche und finanzielle Reformfrage ein Bundesgenosse für die verbündeten Regirungen sein, sobald sie im Volke richtig verstanden sein wird; dazu aber ist ihre Discussion im Reichstage nöthig, die nicht vor der Wintersession stattfinden kann. Das Bedürfniß höherer Einnahmen durch indirecte Steuern ist in allen Bundesstaaten fühlbar, und von deren Ministern in Heidelberg einstimmig anerkannt worden. Der Widerspruch der parlamentarischen Theoretiker dagegen hat in der productiven Mehrheit der Bevölkerung auf die Dauer keinen Anklang. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 145 Am 23. Juli fand unter dem Vorsitze des Königs ein Kriegsrath Statt, in dem beschlossen werden sollte, ob unter den gebotenen Bedingungen Friede zu machen oder der Krieg fortzusetzen sei. Eine schmerzhafte Krankheit, an der ich litt, machte es nothwendig, die Berathung in meinem Zimmer zu halten. Ich war dabei der einzige Civilist in Uniform. Ich trug meine Ueberzeugung dahin vor, daß auf die östreichischen Bedingungen der Friede geschlossen werden müsse, blieb aber damit allein; der König trat der militärischen Mehrheit bei. Meine Nerven widerstanden den mich Tag und Nacht ergreifenden Eindrücken nicht, ich stand schweigend auf, ging in mein anstoßendes Schlafzimmer und wurde dort von einem heftigen Weinkrampf befallen. Während desselben hörte ich, wie im Nebenzimmer der Kriegsrath aufbrach. Ich machte mich nun an die Arbeit, die Gründe zu Papier zu bringen, die m. E. für den Friedensschluß sprachen, und bat den König, wenn er diesen meinen verantwortlichen Rath nicht annehmen wolle, mich meiner Aemter als Minister bei Weiterführung des Krieges zu entheben. Mit diesem Schriftstücke *) begab ich mich am folgenden Tage zum (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 370 Es bedurfte noch jahrelanger Arbeit, um ohne neue Cabinetskrisen an die Revision der Maigesetze gehn zu können, für deren Vertretung in parlamentarischen Kämpfen nach der Desertion der freisinnigen Partei in das ultramontane Oppositionslager die Majorität fehlte. Ich war zufrieden, wenn es gelang, dem Polonismus gegenüber die im Culturkampf gewonnenen Beziehungen der Schule zum Staate und die eingetretene Aenderung der einschlagenden Verfassungsartikel als definitive Errungenschaften festzuhalten. Beide sind in meinen Augen werthvoller als die maigesetzlichen Verbote geistlicher Thätigkeit und der juristische Fangapparat für widerstrebende Priester, und als einen wichtigen Gewinn durfte ich schon die Beseitigung der katholischen Abtheilung und ihrer staatsgefährlichen Thätigkeit in Schlesien, Posen und Preußen betrachten. Nachdem die Freisinnigen den von ihnen mehr wie von mir betriebenen Culturkampf, dessen Vorkämpfer Virchow und Genossen gewesen waren, nicht nur aufgegeben hatten, sondern im Parlament wie in den Wahlen das Centrum unterstützten, war letzterm gegenüber die Regirung in der Minorität. Der aus Centrum, Fortschritt, Socialdemokraten, Polen, Elsässern, Welfen bestehenden compacten Mehrheit gegenüber war die Politik Falks im Reichstage ohne Aussicht. Ich hielt um so mehr für angezeigt, den Frieden anzubahnen, wenn die Schule gedeckt, die Verfassung von den aufgehobenen Artikeln und der Staat von der katholischen Abtheilung befreit blieb. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 399 Ungeachtet dieser Warnung gelangte das Gesetz mit einer von der Regirung zugestandenen Abschwächung am 7. Februar nur mit einer Mehrheit von 32 Stimmen zur Annahme, weil die meisten Conservativen dagegen stimmten. Auch in der Commission des Herrenhauses wiederholte sich der Angriff von conservativer Seite. Mit welchen Mitteln damals operirt wurde, zeigt folgender Vorgang. Karl von Bodelschwingh, während des Conflicts Finanzminister, der 1866 die Beschaffung der für den Krieg erforderlichen Geldmittel abgelehnt hatte und deshalb durch den Freiherrn von der Heydt ersetzt worden war, hatte in der conservativen Fraction verbreitet, daß mir die Ablehnung der Vorlage eigentlich recht sein würde, und erbot sich, dafür einen Beweis zu erbringen. Er trat in dem Sitzungssaale beim Beginn der Verhandlungen an mich heran, leitete ein gleichgültiges Gespräch mit der Frage nach dem Befinden meiner Frau ein und kehrte in die Mitte seiner Fractionsgenossen zurück mit der Erklärung, er sei nach Rücksprache mit mir seiner Sache sicher. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 446 [2-157] war damals längst geschwächt, nicht durch die Arbeiten, welche mir oblagen, aber durch das ununterbrochene Bewußtsein der Verantwortlichkeit für große Ereignisse, bei denen die Zukunft des Vaterlandes auf dem Spiele stand. Ich habe natürlich während der bewegten und gelegentlich stürmischen Entwicklung unsrer Politik nicht immer mit Sicherheit voraussehn können, ob der Weg, den ich einschlug, der richtige war, und doch war ich gezwungen, so zu handeln, als ob ich die kommenden Ereignisse und die Wirkung der eignen Entschließungen auf dieselben mit voller Klarheit voraussehe. Die Frage, ob das eigne Augenmaß, der politische Instinct, ihn richtig leitet, ist ziemlich gleichgültig für einen Minister, dem alle Zweifel gelöst sind, sobald er durch die königliche Unterschrift oder durch eine parlamentarische Mehrheit sich gedeckt fühlt, man könnte sagen, einen Minister katholischer Politik, der im Besitz der Absolution ist, und den die mehr protestantische Frage, ob er seine eigne Absolution hat, nicht kümmert. Für einen Minister aber, der seine Ehre mit der des Landes vollständig identificirt, ist die Ungewißheit des Erfolges einer jeden politischen Entschließung von aufreibender Wirkung. Man kann die politische Gestaltung in der Zeit, welche die Durchführung einer Maßregel bedarf, so wenig mit Sicherheit vorhersehn, wie das Wetter der nächsten Tage in unserm Klima, und muß doch seine Entschließung fassen, als ob man es könnte, nicht selten im Kampfe gegen alle Einflüsse, denen Gewicht beizulegen man gewöhnt ist, wie z. B. in Nikolsburg zur Zeit der Friedensverhandlungen, wo ich die einzige Person war und blieb, die schließlich für das, was geschah, und für den Erfolg verantwortlich gemacht wurde und nach unsern Institutionen und Gewöhnungen auch verantwortlich war, und wo ich meine Entschließung im Widerspruch nicht nur mit allen Militärs, also mit allen Anwesenden, sondern auch mit dem Könige fassen und in schwerem Kampfe aufrecht halten mußte. Die Erwägung der Frage, ob eine Entschließung richtig sei, und ob das Festhalten und Durchführen des auf Grund schwacher Prämissen für richtig (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 453 [2-160] zusammen aus den zufriedenen Staatsbürgern, die den status quo angreifenden recrutiren sich naturgemäß mehr aus den mit den bestehenden Einrichtungen unzufriedenen; und unter den Elementen, auf denen die Zufriedenheit beruht, nimmt die Wohlhabenheit nicht die letzte Stelle ein. Nun ist es eine Eigenthümlichkeit, wenn nicht der Menschen im Allgemeinen, so doch der Deutschen, daß der Unzufriedene arbeitsamer und rühriger ist als der Zufriedene, der Begehrliche strebsamer als der Satte. Die geistig und körperlich satten Deutschen sind gewiß zuweilen aus Pflichtgefühl arbeitsam, aber in der Mehrheit nicht, und unter den gegen das Bestehende Ankämpfenden findet sich der Wohlhabende bei uns seltener aus Ueberzeugung, öfter von einem Ehrgeiz getrieben, der auf diesem Wege schnellere Befriedigung hofft oder durch Verstimmung über politische oder confessionelle Widerwärtigkeiten auf ihn gedrängt worden ist. Das Ergebniß im Ganzen ist immer eine größere Arbeitsamkeit unter den Kräften, die das Bestehende angreifen, als unter denen, die es vertheidigen, also den Conservativen. Dieser Mangel an Arbeitsamkeit der Mehrheit erleichtert wiederum die Leitung einer conservativen Fraction in höherm Maße, als dieselbe durch individuelle Selbständigkeit und stärkern Eigensinn der Einzelnen erschwert werden könnte. Nach meinen Erfahrungen ist die Abhängigkeit der conservativen Fractionen von dem Gebote ihrer Leitung mindestens ebenso stark, vielleicht stärker als auf der äußersten Linken. Die Scheu vor dem Bruch ist auf der rechten Seite vielleicht größer als auf der linken, und der damals auf jeden Einzelnen stark wirkende Vorwurf, ministeriell zu sein, war der objectiven Beurtheilung auf der rechten Seite oft hinderlicher als auf der linken. Dieser Vorwurf hörte sofort auf, den Conservativen und andern Fractionen empfindlich zu sein, als durch meine Entlassung die regirende Stelle vacant geworden war, und jeder Parteiführer in der Hoffnung, bei ihrer Wiederbesetzung betheiligt zu werden, bis zur unehrlichen Verleugnung und Boycottirung des frühern Kanzlers und seiner Politik servil und ministeriell wurde. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 596 Ungeachtet meiner Zurückhaltung ist nach meinem Ausscheiden bei der Mehrheit meiner Geschäftsfreunde ein Gefühl wie der Erleichterung von einem Drucke wahrgenommen worden, das in vielen Fällen eben aus dem Widerstande zu erklären ist, den ich dem überwuchernden Triebe zu unnöthigen Eingriffen in den Bestand unsrer Gesetzgebung geleistet hatte. Auf dem Gebiete der Schule hatte ich dauernd, aber ohne Erfolg die Theorie bekämpft, daß der Unterrichtsminister ohne Gesetz und ohne sich an das vorhandene Schulvermögen zu binden, auf dem Verwaltungswege und ohne die Leistungsfähigkeit zu beachten, bestimmen könne, was jede Gemeinde zur Schule beizutragen habe. Diese in keinem andern Verwaltungszweige vorhandene Machtvollkommenheit, deren Anwendung in manchen Fällen so weit getrieben wurde, daß die Gemeinden existenzunfähig wurden, beruhte nicht auf Gesetz, sondern auf einem Rescript des frühern Cultusministers von Raumer, das das Schulbudget von einer Verfügung der betreffenden Abtheilung der Regirungen, in letzter Instanz des Ministers, abhängig machte. Das Bestreben, diesen Ministerabsolutismus durch Gesetz zu consolidiren, war für mich ein Hinderniß, den gelegentlich mir vorgelegten Schulgesetzentwürfen meine Zustimmung zu geben. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 687 In dieser Erwägung nöthigte mich der drohende Brief des Kaisers Alexander (1879) zu festem Entschlusse behufs Abwehr und Wahrung unsrer Unabhängigkeit von Rußland. Ein östreichisches Bündniß war ziemlich bei allen Parteien populär, bei den Conservativen aus einer geschichtlichen Tradition, bezüglich deren man zweifelhaft sein kann, ob sie grade von dem Standpunkt einer conservativen Fraction heut zu Tage als folgerichtig gelten könne. Thatsache ist aber, daß die Mehrheit der Conservativen in Preußen die Anlehnung an Oestreich als ihren Tendenzen entsprechend ansieht, auch wenn vorübergehend eine Art von Wettlauf im Liberalismus zwischen den beiden Regirungen stattfand. Der conservative Nimbus des östreichischen Namens überwog bei den meisten Mitgliedern dieser Fraction den Eindruck der theils überwundenen, theils neuen Vorstöße auf dem Gebiete des Liberalismus und der gelegentlichen Neigung zu Annäherungen an die Westmächte und speciell an Frankreich. Noch näher lagen die Erwägungen, welche den Katholiken den Bund mit der vorwiegend katholischen Großmacht als nützlich erscheinen ließen. Der nationalliberalen Partei war ein vertragsmäßig verbrieftes Bündniß des neuen Deutschen Reiches mit Oestreich ein Weg, auf dem man der Lösung der 1848er Cirkelquadratur näher kam, ohne an den Schwierigkeiten zu scheitern, die einer unitarischen Verbindung nicht nur zwischen Oestreich und Preußen- Deutschland, sondern schon innerhalb des östreichisch-ungarischen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 968 Wenn man sich die Zeit vergegenwärtigt, wo das Centrum, gestützt weniger auf den Papst als auf den Jesuitenorden, die Welfen, nicht blos die hanöverschen, die Polen, die französirenden Elsässer, die Volksparteiler, die Socialdemokraten, die Freisinnigen und die Particularisten, einig unter einander nur in der Feindschaft gegen das Reich und seine Dynastie, unter Führung desselben Windthorst, der vor und nach seinem Tode zu einem Nationalheiligen gemacht wurde, eine sichre und herrische Mehrheit gegen den Kaiser und die verbündeten Regirungen besaß, so wird Jeder, der die damalige Situation und die von Westen und Osten drohenden Gefahren sachkundig zu beurtheilen im Stande ist, es natürlich finden, daß ein für die Schlußergebnisse verantwortlicher Reichskanzler daran dachte, den möglichen auswärtigen Verwicklungen und ihrer Verbindung mit innern Gefahren mit derselben Unabhängigkeit entgegen zu treten, mit der der böhmische Krieg ohne Einverständniß, vielfach sogar im Widerspruche mit politischen Stimmungen unternommen wurde. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)