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Abs. 255 Die Hauptfrage, die Krieg und Frieden birgt, die Gestaltung Deutschlands, die Regelung der Verhältnisse zwischen Preußen und Oestreich und der Verhältnisse von Preußen und Oestreich zu den kleinern Staaten, soll in wenigen Tagen der Gegenstand der freien Conferenzen werden, kann also jetzt nicht Gegenstand eines Krieges sein. Wer den Krieg durchaus will, den vertröste ich darauf, daß er in den freien Conferenzen jederzeit zu finden ist: in vier oder sechs Wochen, wenn man ihn haben will. Ich bin weit davon entfernt, in einem so wichtigen Augenblicke, wie dieser ist, die Handlungsweise der Regirung durch Rathgeben hemmen zu wollen. Wenn ich dem Ministerium gegenüber einen Wunsch aussprechen wollte, so wäre es der, daß wir nicht eher (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 256 [1-74] entwaffnen, als bis die freien Conferenzen ein positives Resultat gegeben haben; dann bleibt es noch immer Zeit, einen Krieg zu führen, wenn wir ihn wirklich mit Ehren nicht vermeiden können oder nicht vermeiden wollen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 295 [1-89] bei Georg V. ausgetretenen Minister Bacmeister sondirt, ob ich Minister des Königs Georg werden wolle. Ich sprach mich dahin aus, daß ich in der auswärtigen Politik Hanover nur dienen könne, wenn der König vollständig Hand in Hand mit Preußen gehn wolle; ich könnte mein Preußenthum nicht ausziehn wie einen Rock. Auf dem Wege zu den Meinigen nach Villeneuve am Genfer See, den ich von Norderney über Hanover nahm, hatte ich mehre Conferenzen mit dem Könige. Eine derselben fand statt in einem, zwischen seinem Schlafzimmer und dem der Königin gelegnen Cabinet im Erdgeschoß des Schlosses. Der König wollte, daß die Thatsache unsrer Besprechung nicht bekannt werde, hatte mich aber um fünf Uhr zur Tafel befohlen. Er kam auf die Frage, ob ich sein Minister werden wolle, nicht zurück, sondern verlangte nur von mir als Sachkundigem in bundestäglichen Geschäften einen Vortrag über die Art und Weise, wie die Verfassung von 1848 mit Hülfe von Bundesbeschlüssen revidirt werden könne. Nachdem ich meine Ansicht entwickelt hatte, verlangte er eine schriftliche Redaction derselben und zwar auf der Stelle. Ich schrieb also in der ungeduldigen Nachbarschaft des an demselben Tische sitzenden Königs die Hauptzüge des Operationsplans nieder unter den erschwerenden Umständen, die ein selten gebrauchtes Schreibzeug bereitete: Tinte dick, Feder schlecht, Papier rauh, Löschblatt nicht vorhanden; die von mir gelieferte vier Seiten lange Staatsschrift mit ihren Tintenflecken war nicht als ein kanzleimäßiges Mundum anzusehn. Der König schrieb überhaupt nur seine Unterschrift, und auch diese schwerlich in dem Gemach, in welchem er des Geheimnisses wegen mich empfangen hatte. Das Geheimniß wurde freilich dadurch durchbrochen, daß es darüber sechs Uhr geworden war und der auf fünf befohlenen Tischgesellschaft die Ursache der Verspätung nicht entgehn konnte. Als die hinter dem Könige stehende Uhr schlug, sprang er auf und ging wortlos und mit einer bei seiner Blindheit überraschenden Schnelligkeit und Sicherheit durch das mit Möbeln besetzte Gemach in das benachbarte Schlaf- oder Ankleidezimmer. Ich blieb allein, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 330 [1-100] Bemühungen des Grafen Buol, einen Kriegsfall zu schaffen, die durch die Räumung der Wallachei und Moldau seitens der Russen vereitelt wurden, die von ihm beantragte und im Geheimniß vor Preußen abgeschlossene Allianz mit den Westmächten vom 2. December, die vier Punkte der Wiener Conferenz und der weitre Verlauf bis zu dem Pariser Frieden vom 30. März 1856 sind von Sybel aus den Archiven dargestellt, und meine amtliche Stellungnahme zu allen diesen Fragen ergiebt sich aus dem Werke "Preußen im Bundestage", Ueber das, was in dem Cabinet vorging, über die Erwägungen und Einflüsse, die den König in den wechselnden Phasen bestimmten, erhielt ich von dem General von Gerlach Mittheilungen, von denen ich die interessanteren einflechte. Wir hatten für diese Correspondenz seit Herbst 1855 eine Art von Chiffre verabredet, in welchem die Staaten durch die Namen uns bekannter Dörfer, die Personen nicht ohne Humor durch Figuren aus Shakespeare bezeichnet waren 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 348 Ich verkenne gewiß nicht gute Intentionen, wenn sie auch meiner Ueberzeugung nach nicht an der (richtigen) Stelle und noch weniger richtig ausgeführt sind, und ebensowenig das Recht von Interessen, wenn sie auch demjenigen, was ich für richtig halten muß, schnurstracks widersprechen. Aber ich verlange Wahrheit und Klarheit, und deren Mangel kann mich zur Desperation bringen. Mangel an Wahrheit nach außen kann ich unsrer Politik nun nicht zum Vorwurf machen: wohl aber Unwahrheit gegen uns selbst. Wir würden ganz anders dastehen, und Vieles unterlassen haben, wenn wir uns die eigentlichen Motive dazu eingestanden hätten, statt uns beständig vorzuspiegeln, daß die einzelnen Acte unsrer Politik Consequenzen der richtigen Grundgedanken derselben seien. Die fortgesetzte Theilnahme an den Wiener Conferenzen nach dem Einlaufen der englisch-französischen Flotte in die Dardanellen und jetzt zuletzt die Unterstützung der westmächtlich-österreichischen Forderungen in Petersburg, haben ihren wahren Grund in der kindischen Furcht, ,aus dem Concert européen hinausgedrängt zu (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 398 Ich hatte immer noch gehofft, daß wir eine festere Stellung annehmen würden, bis man sich entschlösse, uns zu den Conferenzen einzuladen, und daß wir in einer solchen verharren würden, wenn die Einladung garnicht erfolgt. Es war dieß meines Erachtens das einzige Mittel, unsre Zuziehung durchzusetzen. Nach den mir gestern zugegangnen Instructionen wollen wir aber d'emblée auf eine Fassung mit mehr oder weniger Vorbehalt eingehn, die uns und den Bund zur Aufrechterhaltung der Präliminarien verpflichtet. Hat man das erst von uns in Händen, nachdem sogar die Westmächte und Oestreich bisher nur ein ‚projet' von Präliminarien unterzeichnet haben, warum soll man sich dann noch auf den Conferenzen mit uns bemühn; man wird viel lieber unsre und der übrigen Mittelstaaten am Bunde gegebne Adhäsion in unsrer Abwesenheit nach Bedürfniß und Belieben ausbeuten und benutzen in dem Bewußtsein, daß man nur zu fordern braucht, und wir geben uns. Wir sind zu gut für diese Welt. Es kommt mir nicht zu, die Entschlüsse Sr. Majestät und meines Chefs zu kritisiren, nachdem sie gefaßt sind; (12. Febr.) aber die Kritik vollzieht sich in mir ohne mein Zuthun; ich habe die ersten 24 Stunden nach (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 399 [1-117] Empfang jener Chamade schlagenden Instruction unter fortwährenden Anfällen gallichten Erbrechens gelitten, und ein mäßiges Fieber verläßt mich keinen Augenblick. Ich finde nur in der Erinnerung an den Frühling 1848 das Analogon meiner körperlichen und geistigen Stimmung, und je mehr ich mir die Situation klar mache, um so weniger entdecke ich etwas, woran mein Preußisches Ehrgefühl sich aufrichten könnte. Vor acht Tagen schien mir noch alles nied- und nagelfest, und ich selbst bat Manteuffel, Oestreich die Auswahl zwischen zwei für uns annehmbaren Vorschlägen zu lassen, ließ mir aber nicht träumen, daß Graf Buol sie beide verwerfen und uns auf seine eigne Vorlage auch die Antwort vorschreiben werde, die wir zu geben haben. Ich hatte gehofft, daß wir, wie auch schließlich unsre Antwort ausfallen möge, uns doch nicht gefangen geben würden, bevor unsre Zuziehung zu den Conferenzen gesichert wäre. Wie stellt sich aber unsre Lage jetzt heraus? Viermal hat Oestreich in zwei Jahren das Spiel gegen uns durchgeführt, daß es den ganzen Grund, auf dem wir standen, von uns forderte und wir nach einigem Sperren die Hälfte oder so etwas abtraten. Jetzt geht es aber um den letzten Quadratfuß, auf dem noch eine Preußische Aufstellung möglich blieb. Durch seine Erfolge übermüthig gemacht, fordert Oestreich nicht nur, daß wir, die wir uns eine Großmacht nennen und auf dualistische Gleichberechtigung Anspruch machen, ihm diesen letzten Rest von unabhängiger Stellung opfern, sondern schreibt uns auch den Ausdruck vor, in dem wir unsre Abdication unterzeichnen sollen, gebietet uns eine unanständige nach Stunden bemessene Eile und versagt uns jedes Aequivalent, welches ein Pflaster für unsre Wunden abgeben könnte. Nicht einmal ein Amendement in der Erklärung, die Preußen und Deutschland geben sollen, getrauen wir uns entschieden aufzustellen. Pfordten macht die Sache mit Oestreich ab, indem er glaubt, Preußens Einverständniß voraussetzen zu dürfen, und wenn Baiern gesprochen hat, so ist es für Preußen res judicata. Bei ähnlichen Gelegenheiten der letzten beiden Jahre (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 400 [1-118] stellten wir, wenigstens von Hause aus, bei den deutschen Höfen ein Preußisches Programm auf, und keiner von ihnen entschied sich, bevor wir uns nicht mit Oestreich verständigt hatten. Jetzt verständigt sich Baiern mit Wien, und wir fügen uns im Rummel mit Darmstadt und Oldenburg. Damit geben wir das letzte her, was man einstweilen von uns braucht, und hat man den Bundesbeschluß einschließlich des Preußischen Votums erst in der Tasche, so werden wir bald sehn, wie Buol mit achselzuckendem Bedauern von der Unmöglichkeit spricht, den Widerspruch der Westmächte gegen unsre Zulassung zu überwinden. Auf Rußlands Unterstützung können wir dabei, meinem Gefühl nach, nicht rechnen, denn den Russen wird die Verstimmung ganz lieb sein, die bei uns folgen muß, wenn wir den letzten Rest unsrer Politik für ein EntreeBillet zu den Conferenzen hergegeben haben. Außerdem fürchten die Russen sich offenbar mehr vor unsrer "vermittelnden" Unterstützung der gegnerischen Politik, als daß sie irgend einen Beistand von uns auf den Conferenzen erwarteten. Meine Gespräche mit Brunnow und Petersburger Briefe, die ich gesehn, lassen mir darüber, trotz aller diplomatischen Schlauheit des erstern, keinen Zweifel. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 401 Das einzige Mittel, unsre Theilnahme an den Conferenzen durchzusetzen, ist und bleibt die Zurückhaltung unsrer Erklärung über die östreichische Vorlage hier. Was soll man noch mit einem preußischen Quärulanten auf den Conferenzen, wenn man den Bundesbeschluß und damit uns, erst in der Tasche hat? Oestreich wird ihn schon auszulegen wissen, wenn nur nicht da sind. Aus der östreichischen Regirungspresse und aus dem Verhalten Rechberg's geht klar hervor, daß sie schon jetzt den dürftigen Vorbehalt in dem Oestreichisch-Bairischen Entwurf ausdrücklich auf Artikel V *) (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 407 Wäre es solchen Eventualitäten nicht bei weitem vorzuziehn, daß wir als europäische Macht direct mit Frankreich und England über unsern Beitritt unterhandelt hätten, als daß wir es wie einer, der nicht sui juris ist, unter Oestreichs Vormundschaft thun und nur noch als Pfeil in Buol's Köcher auf der Conferenz in Rechnung kommen? 1)... v. B." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 633 Im März 1857 waren in Paris die Conferenzen zur Schlichtung des zwischen Preußen und der Schweiz ausgebrochenen Streites eröffnet worden. Der Kaiser, über die Vorgänge in Berliner Hofund Regirungskreisen stets wohl unterrichtet, wußte offenbar, daß der König mit mir auf vertrauterem Fuße stand, als mit andern Gesandten und mich wiederholt als Ministercandidaten in's Auge gefaßt hatte. Nachdem er in den Händeln mit der Schweiz eine für Preußen äußerlich, und namentlich im Vergleich mit der Oestreichs, wohlwollende Haltung beobachtet hatte, schien er vorauszusetzen, daß er dafür auf ein Entgegenkommen Preußens in andern Dingen zu rechnen habe; er setzte mir auseinander, daß es ungerecht sei, ihn zu beschuldigen, daß er nach der Rheingrenze strebe. Das linksrheinische deutsche Ufer mit etwa 3 Millionen Einwohnern würde für Frankreich Europa gegenüber eine unhaltbare Grenze sein; die Natur der Dinge würde Frankreich dann dahin treiben, auch Luxemburg, Belgien und Holland zu erwerben oder doch in eine sichre Abhängigkeit zu bringen. Das Unternehmen hinsichtlich der Rheingrenze würde daher Frankreich früher oder später zu einer Vermehrung von 10 bis 11 Millionen thätiger, wohlhabender Einwohner führen. Eine solche Verstärkung der französischen Macht würde von Europa unerträglich befunden werden, - "devrait engendrer la coalition", würde schwerer zu behalten, als zu nehmen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1156 Ueber eine Conferenz, welche am 10. October 1864 von Mitgliedern des Auswärtigen und des Handelsministeriums abgehalten wurde, schrieb mir Herr von Thile nach Biarritz: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1157 "Ich fand in der heutigen Conferenz neu bestätigt, was freilich längst bekannt ist, daß die Herren Fachmänner bei aller ihrer, von mir gern anerkannten Virtuosität in Behandlung der fachlichen Seite die politische arg mißachten und z. B. die Eventualität eines Ministerwechsels in Wien wie eine Bagatelle behandeln. - Itzenplitz wankt in seinen Ansichten sehr. Wiederholt gelang es mir ihn zu dem Geständniß zu bringen, daß uns der Artikel 25 finaliter und realiter zu nichts verpflichtet. Dann schreckte ihn aber jedesmal ein strafender Blick von Delbrück in seine Fachposition zurück." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 30 [2-14] die ihm beide Staaten entfremden mußten. Als ihm 1863 mit dem Tode des Königs von Dänemark eine Aufgabe in den Schooß fiel, so glücklich, wie sie nur je einem Staatsmanne zu Theil geworden, verschmähte er es, Preußen an die Spitze der einmüthigen Erhebung Deutschlands (in Resolutionen) *) zu stellen, dessen Einigung unter Preußens Führung sein Ziel war, verband sich vielmehr mit Oesterreich, dem principiellen Gegner dieses Planes, um später sich mit ihm unversöhnlich zu verfeinden. Den Prinzen von Augustenburg, dem Ew. M. wohlwollten, und von dem damals Alles zu erhalten war, mißhandelte er **), um ihn bald darauf durch den Grafen Bernstorff auf der Londoner Conferenz für den Berechtigten erklären zu lassen. Dann verpflichtet er Preußen im Wiener Frieden, nur im Einverständniß mit Oesterreich definitiv über die befreiten Herzogthümer zu disponiren 1), und läßt in denselben Einrichtungen treffen, welche die beabsichtigte ‚Annexion‘ deutlich verkündigen. ... (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 92 Nachdem die preußischen Bevollmächtigten am 28. Mai 1864 auf der Londoner Conferenz die Erklärung abgegeben hatten, daß die deutschen Mächte die Constituirung Schleswig-Holsteins als eines selbständigen Staates unter der Souveränetät des Erbprinzen von Augustenburg begehrten, hatte ich mit dem Letztern am 1. Juni 1864, Abends von 9 bis 12 Uhr, in meiner Wohnung eine Besprechung, um festzustellen, ob ich dem Könige zur Vertretung seiner Candidatur rathen könne. Die Unterredung drehte sich hauptsächlich um die von dem Kronprinzen in der Denkschrift vom 26. Februar bezeichneten Punkte. Die Erwartung Seiner Königlichen Hoheit, daß der Erbprinz bereitwillig darauf eingehn würde, fand ich nicht bestätigt. Die Substanz der Erklärungen des Letztern ist von Sybel nach den Acten gegeben 2). Am lebhaftesten widersprach er den Landabtretungen behufs der Anlage von Befestigungen; sie könnten sich ja auf eine Quadratmeile belaufen, meinte er. Ich mußte unsre Forderung als abgelehnt, eine weitre Verhandlung als aussichtslos betrachten, auf die der Prinz hinzudeuten schien, indem er beim Abschiede sagte: „Wir sehn uns wohl noch“ — (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 142 Inzwischen hatte ich in den Conferenzen mit Karolyi und mit Benedetti, dem es Dank dem Ungeschick unsrer militärischen Polizei im Rücken des Heeres gelungen war, in der Nacht vom 11. zum 12. Juli nach Zwittau zu gelangen und dort plötzlich vor meinem Bette zu erscheinen, die Bedingungen ermittelt, unter denen der Friede erreichbar war. Benedetti erklärte für die Grundlinie der Napoleonischen Politik, daß eine Vergrößerung Preußens um höchstens 4 Millionen Seelen in Norddeutschland, unter Festhaltung der Mainlinie als Südgrenze, keine französische Einmischung nach sich ziehn werde. Er hoffte wohl, einen süddeutschen Bund als französische Filiale auszubilden. Oestreich trat aus dem Deutschen Bunde aus und war bereit, alle Einrichtungen, die der König in Norddeutschland treffen werde, vorbehaltlich der Integrität Sachsens, anzuerkennen. Diese Bedingungen enthielten Alles, dessen wir bedurften: freie Bewegung in Deutschland. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 276 Noch schwerer wirkt in gleicher Richtung die Frage, ob und aus welchen Motiven andre Mächte geneigt sein könnten, dem Gegner zunächst diplomatisch, eventuell militärisch beizustehn, welche Aussicht die Vertreter einer solchen Einmischung haben, an fremden Höfen ihren Zweck zu erreichen, wie die Parteien sich gruppiren würden, wenn es zu Conferenzen oder zu einem Congresse käme, ob Gefahr vorhanden, daß aus der Einmischung der Neutralen sich weitre Kriege entwickeln. Namentlich aber zu beurtheilen, wann der richtige Moment eingetreten sei, den Uebergang vom Kriege zum Frieden einzuleiten, dazu sind Kenntnisse der europäischen Lage (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 621 [2-217] Irrthümer ihrer Untergebenen durch Unaufrichtigkeit wieder gut zu machen. Lord Palmerston hat freilich am 4. April 1856 im Unterhause mit einer von der Masse der Mitglieder wahrscheinlich nicht verstandenen Ironie gesagt, die Auswahl der dem Parlamente vorzulegenden Schriftstücke über Kars habe große Sorgfalt und Aufmerksamkeit von Personen, die nicht eine untergeordnete, sondern eine hohe Stellung im Auswärtigen einnähmen, erfordert. Das Blaubuch über Kars, die castrirten Depeschen von Sir Alexander Burnes aus Afghanistan und die Mittheilungen der Minister über die Entstehung der Note, welche die Wiener Conferenz 1854 dem Sultan anstatt der Mentschikowschen zur Unterzeichnung empfahl, sind Proben von der Leichtigkeit, mit welcher Parlament und Presse in England getäuscht werden können. Daß die Archive des Auswärtigen Amtes in London ängstlicher als irgendwo gehütet werden, läßt vermuthen, daß in ihnen noch manche ähnliche Probe zu entdecken sein würde. Im Ganzen wird man aber doch sagen dürfen, daß der Zar leichter zu belügen ist als das Parlament. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 673 [2-231] auch für Rußland, um aus der Politik der persönlichen Freundschaft der beiden Kaiser einen Uebergang zu der des kühlen russischen Staatsinteresses zu finden, das 1814 und 1815 bei Absteckung des französischen Gebiets maßgebend gewesen war. Daß es für die russische Politik eine Grenze giebt, über die hinaus das Gewicht Frankreichs in Europa nicht vermindert werden darf, ist erklärlich. Dieselbe war, wie ich glaube, mit dem Frankfurter Frieden erreicht, und diese Thatsache war vielleicht 1870 und 1871 in Petersburg noch nicht in dem Maße zum Bewußtsein gekommen, wie fünf Jahre später. Ich glaube kaum, daß das russische Cabinet während unsres Krieges deutlich vorausgesehn hat, daß es nach demselben ein so starkes und consolidirtes Deutschland zum Nachbar haben würde. Im Jahre 1875 nahm ich an, daß an der Newa schon einige Zweifel darüber herrschten, ob es richtig gewesen sei, die Dinge so weit kommen zu lassen, ohne in die Entwicklung einzugreifen. Die aufrichtige Freundschaft und Verehrung Alexanders II. für seinen Oheim deckten das Unbehagen, das die amtlichen Kreise bereits empfanden. Hätten wir damals den Krieg erneuern wollen, nur um das kranke Frankreich nicht genesen zu lassen, so würde unzweifelhaft nach einigen mißlungenen Conferenzen zur Verhütung des Krieges unsre Kriegführung sich in Frankreich in der Lage befunden haben, die ich in Versailles bei der Verschleppung der Belagerung befürchtet hatte. Die Beendigung des Krieges würde nicht durch einen Friedensschluß unter vier Augen, sondern in einem Congresse zu Stande gekommen sein, wie 1814 unter Zuziehung des besiegten Frankreich und vielleicht bei der Mißgunst, der wir ausgesetzt waren, ebenso wie damals unter Leitung eines neuen Talleyrand. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 674 Ich hatte schon in Versailles befürchtet, daß die Betheiligung Frankreichs an den Londoner Conferenzen über die das Schwarze Meer betreffenden Clauseln des Pariser Friedens dazu benutzt werden könnte, um mit der Dreistigkeit, die Talleyrand in Wien bewiesen hatte, die deutsch-französische Frage als Pfropfreis auf die (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 675 [2-232] programmmäßigen Erörterungen zu setzen. Aus dem Grunde habe ich, trotz vielseitiger Befürwortung, die Betheiligung Favres an jener Conferenz durch äußere und innere Einflüsse verhindert. Ob Frankreich 1875 unserm Anfalle gegenüber in seiner Vertheidigung so schwach gewesen sein würde, wie unsre Militärs annahmen, erscheint fraglich, wenn man sich erinnert, daß in dem französisch-englisch- östreichischen Vertrage vom 3. Januar 1815 das besiegte und noch theilweise besetzte, durch zwanzig Kriegsjahre erschöpfte Frankreich doch noch bereit war, für die Coalition gegen Preußen und Rußland 150000 Mann sofort und demnächst 300000 in's Feld zu führen. Die 300000 in unsrer Gefangenschaft gewesenen altgedienten Soldaten befanden sich wieder in Frankreich, und wir hätten die russische Macht schließlich wohl nicht wie im Januar 1815 wohlwollend neutral, sondern vielleicht feindlich hinter uns gehabt. Aus dem Gortschakowschen Circular-Telegramm vom Mai 1875 1) an alle russischen Gesandschaften geht hervor, daß die russische Diplomatie bereits zu einer Thätigkeit gegen unsre angebliche Neigung zur Friedensstörung veranlaßt worden war. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)