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Abs. 266 Nachdem die preußische Regirung sich entschlossen hatte, den von Oestreich reactivirten Bundestag zu beschicken und dadurch vollzählig zu machen, wurde der General von Rochow, der in Petersburg accreditirt war und blieb, provisorisch zum BundestagsGesandten ernannt. Gleichzeitig wurden zwei Legationsräthe für die Gesandschaft auf den Etat gebracht, ich selbst und Herr von Gruner. Mir wurde durch Se. Majestät und den Minister von Manteuffel vor meiner Ernennung zum Legationsrath die demnächstige Ernennung zum Bundestags-Gesandten in Aussicht gestellt. Rochow sollte mich einführen und anlernen, konnte aber selbst nicht geschäftsmäßig arbeiten und benutzte mich als Redacteur, ohne mich politisch au fait zu halten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 270 Am 11. Mai 1851 traf ich in Frankfurt ein. Herr von Rochow mit weniger Ehrgeiz als Liebe zum Behagen, des Klimas und des anstrengenden Hoflebens in Petersburg müde, hätte lieber den Frankfurter Posten, in dem er alle seine Wünsche befriedigt fand, dauernd behalten, arbeitete in Berlin dafür, daß ich zum Gesandten in Darmstadt mit gleichzeitiger Accreditirung bei dem Herzog von Nassau und der Stadt Frankfurt ernannt werde, und wäre vielleicht auch nicht abgeneigt gewesen, mir den Petersburger Posten im Tausch zu überlassen. Er liebte das Leben am Rhein und den Verkehr mit den deutschen Höfen. Seine Bemühungen hatten indessen keinen Erfolg. Unter dem 11. Juli schrieb mir Herr von Manteuffel, daß der König meine Ernennung zum Bundestagsgesandten genehmigt habe. "Es versteht sich dabei von selbst," schrieb der Minister, "daß man Herrn von Rochow nicht brusquement wegschicken kann; ich beabsichtige daher, ihm heut noch einige Worte darüber zu schreiben, und glaube Ihres Einverständnisses gewiß zu sein, wenn ich in dieser Sache mit aller Rücksicht auf Herrn von Rochow's Wünsche verfahre, dem ich es in der That nur Dank wissen kann, daß er die schwierige und undankbare Mission angenommen hat im Gegensatz zu manchen andern Leuten, die immer mit der Kritik bei der Hand sind, wenn es aber auf das Handeln ankommt, sich zurückziehn. Daß ich Sie damit nicht meine, brauche ich nicht zu versichern, denn Sie sind ja auch mit uns in die Bresche getreten und werden sie, so denke ich, auch allein vertheidigen." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 271 [1-80] Unter dem 15. Juli erfolgte meine Ernennung zum Bundestagsgesandten. Ungeachtet der Rücksicht, mit welcher er behandelt wurde, war Herr von Rochow verstimmt und ließ mich die Vereitelung seines Wunsches entgelten, indem er Frankfurt eines Morgens früh verließ, ohne mich von seiner Abreise unterrichtet und mir die Geschäfte und die Akten übergeben zu haben. Von andrer Seite benachrichtigt, kam ich zur rechten Zeit nach dem Bahnhofe, um ihm meinen Dank für das mir bewiesene Wohlwollen auszudrücken. - Ueber meine Thätigkeit und meine Wahrnehmungen am Bundestage ist so viel Amtliches und Privates veröffentlicht worden 1), daß mir nur eine Nachlese übrig bleibt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 273 1) Preußen im Bundestage 1851-1859. Documente der K. Preuß. Bundestags-Gesandtschaft. Herausgegeben von Dr. Ritter v. Poschinger. 4 Bde. Lpz. 1882-1884. - Bismarck's Briefe an den General Leopold v. Gerlach. Herausgegeben von H. Kohl. Berlin 1896. - Bismarckbriefe. Herausgegeben von H. Kohl. 7. Auflage. Bielefeld 1898 S. 106 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 290 1) Vgl. den Brief Bismarck's an Manteuffel vom 23. Juli 1852 in Preußen im Bundestage IV 99 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 320 "General von Gerlach theilt mir soeben mit, daß des Königs Majestät Euer Hochwohlgeboren behufs Besprechung über die Behandlung des östreichisch-preußischen Bündnisses am Bunde hier anwesend zu sehen befohlen und daß der Herr General in diesem Sinne Euer Hochwohlgeboren bereits geschrieben habe 1). In Gemäßheit dieses Allerhöchsten Befehls, von dem mir übrigens vorher nichts bekannt gewesen, darf ich keinen Anstand nehmen. Euer Hochwohlgeboren ganz ergebenst zu veranlassen, sich unverzüglich hierher zu verfügen. Mit Rücksicht auf die beim Bundestage bevorstehenden Verhandlungen dürfte Ihr Aufenthalt hierselbst nicht von langer Dauer sein können." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 322 1) Dieser Brief ist veröffentlicht im Briefwechsel des Generals Leopold v. Gerlach mit dem Bundestagsgesandten Otto v. Bismarck S. 166. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 330 [1-100] Bemühungen des Grafen Buol, einen Kriegsfall zu schaffen, die durch die Räumung der Wallachei und Moldau seitens der Russen vereitelt wurden, die von ihm beantragte und im Geheimniß vor Preußen abgeschlossene Allianz mit den Westmächten vom 2. December, die vier Punkte der Wiener Conferenz und der weitre Verlauf bis zu dem Pariser Frieden vom 30. März 1856 sind von Sybel aus den Archiven dargestellt, und meine amtliche Stellungnahme zu allen diesen Fragen ergiebt sich aus dem Werke "Preußen im Bundestage", Ueber das, was in dem Cabinet vorging, über die Erwägungen und Einflüsse, die den König in den wechselnden Phasen bestimmten, erhielt ich von dem General von Gerlach Mittheilungen, von denen ich die interessanteren einflechte. Wir hatten für diese Correspondenz seit Herbst 1855 eine Art von Chiffre verabredet, in welchem die Staaten durch die Namen uns bekannter Dörfer, die Personen nicht ohne Humor durch Figuren aus Shakespeare bezeichnet waren 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 396 Meine amtlichen Aeußerungen über die Theilnahme Preußens an den Friedensverhandlungen in Paris (Preußen im Bundestage Theil II, S. 312-317, 337-339, 350) werden ergänzt durch folgendes Schreiben an Gerlach. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 439 Ich suchte mich der Rolle, welche der König mich spielen ließ, in schicklicher Weise zu entziehn und die Verständigung zwischen ihm und Manteuffel nach Möglichkeit anzubahnen; so in den ernsten Zerwürfnissen, welche über Rhino Quehl entstanden. Nachdem durch Wiederherstellung des Bundestages nationale Sonderbestrebungen Preußens einstweilen behindert waren, ging man in Berlin an eine Restauration der innern Zustände, mit welcher der König gezögert hatte, so lange er darauf bedacht war, sich die Liberalen in den übrigen deutschen Staaten nicht zu entfremden. Ueber das Ziel und die Gangart der Restauration zeigte sich aber sofort zwischen dem Minister Manteuffel und der "kleinen aber mächtigen Partei" eine Meinungsverschiedenheit, die sich merkwürdigerweise in einen Streit über Halten oder Fallenlassen einer verhältnißmäßig untergeordneten Persönlichkeit zuspitzte und zu einem scharfen, öffentlichen Ausbruch führte. In demselben Briefe vom 11. Juli 1851, durch welchen er mich von meiner Ernennung zum Bundestagsgesandten benachrichtigte, schrieb Manteuffel: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 491 1) Am 23. April 1852; der Brief ist bisher im Wortlaut noch nicht veröffentlicht; doch vgl. die Aeußerung in dem Briefe vom 23. April an Manteuffel (Preußen im Bundestage IV 72). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 503 Die Haltung, welche ich in der conservativen Fraction angenommen hatte, griff störend in die Pläne ein, die der König mit mir hatte oder zu haben behauptete. Als er zu Anfang des Jahres 1854 das Ziel, mich zum Minister zu machen, directer in's Auge zu fassen begann, wurde seine Absicht nicht nur von Manteuffel bekämpft, sondern auch von der Camarilla, deren Hauptpersonen der General Gerlach und Niebuhr waren. Diese, ebenso wie Manteuffel, waren nicht geneigt, den Einfluß auf den König mit mir zu theilen, und glaubten sich mit mir im täglichen Zusammenleben nicht so gut wie in der Entfernung zu vertragen. Gerlach wurde in dieser Voraussetzung bestärkt durch seinen Bruder, den Präsidenten, der die Gewohnheit hatte, mich als einen PilatusCharakter zu bezeichnen auf der Basis: Was ist Wahrheit? also als einen unsichern Fractionsgenossen. Dieses Urtheil über mich kam auch in den Kämpfen innerhalb der conservativen Fraction und ihres intimern Comités mit Schärfe zum Ausdruck, als ich, auf Grund meiner Stellung als Bundestagsgesandter und weil ich im Besitz des Vortrags bei dem Könige über die deutschen Angelegenheiten sei, einen größern Einfluß auf die Haltung der Fraction in der deutschen und der auswärtigen Politik verlangte, während der Präsident Gerlach und Stahl die absolute Gesammtleitung nach allen Seiten hin in Anspruch nahmen. Ich befand mich im Widerspruche mit Beiden, mehr aber mit Gerlach als mit Stahl, und (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 584 1) An Manteuffel vom 18. Mai, s. Preußen im Bundestage IV 262 ff. 264 ff., einen Nachtrag dazu s. ebendort S. 272 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 639 1) Thatsächlich finden sich in den Berichten an Manteuffel vom 11. und 24. April, sowie vom 1. Mai 1857 (Preußen im Bundestage IV 257 f., III 91 ff. 94 ff.) keinerlei Mittheilungen über diese Unterredung, ebensowenig in dem Briefe an Gerlach vom 11. April 1857, Briefe Bismarck's ?c. S. 311 ff.; das, er dem letztern davon erzählt hat, geht aus Gerlach's Denkwürdigkeiten II 521 hervor. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 643 In demselben Jahre benutzte ich die Ferien des Bundestages zu einem Jagdausfluge nach Dänemark und Schweden 1). In Kopenhagen hatte ich am 6. August eine Audienz bei dem Könige Friedrich VII. Er empfing mich in Uniform, den Helm auf dem Kopfe, und unterhielt mich mit übertriebenen Schilderungen seiner Erlebnisse bei verschiedenen Gefechten und Belagerungen, bei denen er garnicht zugegen gewesen war. Auf meine Sondirung, ob er glaube, daß die (zweite gemeinschaftliche vom 2. October 1855 datirte) Verfassung halten werde, erwiderte er, er habe seinem Vater auf dem Todtenbette zugeschworen, sie zu halten, wobei er vergaß, daß diese Verfassung beim Tode seines Vaters (1848) noch nicht vorhanden war. Während der Unterhaltung sah ich in einer anstoßenden sonnigen Gallerie einen weiblichen Schatten an der Wand; der König hatte nicht für mich, sondern für die Gräfin Danner geredet, über deren Verkehrsformen mit Sr. Majestät ich sonderbare Anekdoten hörte. Auch mit angesehnen Schleswig-Holsteinern hatte ich Gelegenheit, mich zu besprechen. Sie wollten von einem deutschen Kleinstaate nichts wissen; "da sei ihnen das Bischen Europäerthum in Kopenhagen noch lieber". (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 671 Im Januar 1859 machte mir auf einem Balle bei Moustier oder Karolyi der Graf Stillfried scherzhafte Anspielungen, aus denen ich schloß, daß meine schon mehrmals geplante Versetzung von Frankfurt nach Petersburg erfolgen werde, und fügte dazu die wohlwollende Bemerkung: Per aspera ad astra. Die Wissenschaft des Grafen beruhte ohne Zweifel auf seinen intimen Beziehungen zu allen Katholiken im Haushalte der Prinzessin, vom ersten Kammerherrn bis zum Kammerdiener. Meine Beziehungen zu den Jesuiten waren damals noch ungetrübt, und ich besaß noch Stillfrieds Wohlwollen. Ich verstand die durchsichtige Anspielung, begab mich am folgenden Tage (26. Januar) zu dem Regenten und sagte offen, ich hörte, daß ich nach Petersburg versetzt werden sollte, und bat um Erlaubniß, mein Bedauern darüber auszusprechen, in der Hoffnung, daß es noch rückgängig gemacht werden könnte. Die erste Gegenfrage war: "Wer hat Ihnen das gesagt?" Ich erwiderte, ich würde indiscret sein, wenn ich die Person nennen wollte, ich hätte es aus dem Jesuitenlager gehört, mit dem ich alte Fühlung hätte, und ich bedauerte es, weil ich glaubte, in Frankfurt, in diesem Fuchsbau des Bundestages, dessen Ein- und Ausgänge ich bis auf die Nothröhren kennen gelernt hätte, brauchbarere Dienste leisten zu können als irgend einer meiner Nachfolger, der die sehr complicirte Stellung, die auf den Beziehungen zu vielen Höfen und Ministern beruhe, erst wieder kennen lernen müsse, da ich meine achtjährige Erfahrung auf diesem Gebiete, die ich in bewegten Zuständen gemacht, nicht vererben könnte. Mir wäre jeder deutsche Fürst und jeder deutsche Minister und die Höfe der bundesfürstlichen Residenzen persönlich bekannt, und ich erfreute mich, so weit es für Preußen erreichbar sei, eines Einflusses in der Bundesversammlung und an den einzelnen Höfen. Dieses erworbene und erkämpfte Capital der preußischen Diplomatie würde zwecklos zerstört durch (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 967 Niemals, auch in Frankfurt nicht, bin ich darüber in Zweifel gewesen, daß der Schlüssel zur deutschen Politik bei den Fürsten und Dynastien lag und nicht bei der Publicistik in Parlament und Presse oder bei der Barrikade. Die Kundgebungen der öffentlichen Meinung der Gebildeten in Parlament und Presse konnten fördernd und aufhaltend auf die Entschließung der Dynastien wirken, aber sie förderten zugleich das Widerstreben der letztern vielleicht häufiger, als daß sie eine Pression in nationaler Richtung ausgeübt hätten. Schwächere Dynastien suchten Schutz in Anlehnung bei der nationalen Sache, Herrscher und Häuser, die sich zum Widerstande fähiger fühlten, mißtrauten der Bewegung, weil mit der Förderung der deutschen Einheit eine Verminderung der Unabhängigkeit zu Gunsten der Centralgewalt oder der Volksvertretung in Aussicht stand. Die preußische Dynastie konnte voraussehn, daß ihr die Hegemonie mit einer Vermehrung von Ansehn und Macht im künftigen Deutschen Reiche schließlich zufallen würde. Ihr kam die von den andern Dynastien befürchtete capitis deminutio voraussichtlich zu Gute, so weit sie nicht durch ein nationales Parlament absorbirt wurde. Seit im Frankfurter Bundestage die dualistische Auffassung Oestreich-Preußen, unter deren Eindruck ich dorthin gekommen war, dem Gefühl der Nothwendigkeit Platz gemacht hatte, unsre Stellung gegen präsidiale Angriffe und Ueberlistungen zu wahren, nachdem ich den Eindruck erhalten hatte, daß die gegenseitige (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1101 Die ersten Versuche auf der Bahn, auf der das Bündniß mit Oestreich 1879 erreicht wurde, fanden Statt, während der Graf Rechberg Ministerpräsident, respective Minister des Aeußern war (17. Mai 1859 bis 27. October 1864). Da die persönlichen Beziehungen, in denen ich zu ihm am Bundestage gestanden hatte, solchen Versuchen förderlich sein konnten und in einem Zeitpunkte förderlich gewesen sind, so schalte ich zwei Erlebnisse ein, die ich in Frankfurt mit ihm gehabt habe. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1105 [1-333] Die Versuche zur Zeit des Ministeriums Rechberg würden, wenn erfolgreich, damals zu einer gesammtdeutschen Union auf der Basis des Dualismus haben führen können, zu dem Siebzigmillionenreich in Centraleuropa mit zweiköpfiger Spitze, während die Schwarzenbergische Politik auf etwas Aehnliches ausgegangen war, aber mit einheitlicher Spitze Oestreichs und Hinabdrückung Preußens nach Möglichkeit auf den mittelstaatlichen Stand. Der letzte Anlauf dazu war der Fürstencongreß von 1863. Wenn die Schwarzenbergische Politik in der posthumen Gestalt des Fürstencongresses schließlich Erfolg gehabt hätte, so würde zunächst die Verwendung des Bundestages zur Repression auf dem Gebiete der innern Politik Deutschlands voraussichtlich in den Vordergrund getreten sein, nach Maßgabe der Verfassungsrevisionen, die der Bund schon in Hanover, Hessen, Luxemburg, Lippe, Hamburg u. a. in Angriff genommen hatte. Auch die Preußische Verfassung konnte analog herangezogen werden, wenn der König nicht zu vornehm dazu gedacht hätte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 6 [2-3] Deutschland und in Europa gekostet, und wir werden sie dadurch nicht wieder gewinnen, daß wir uns vom Strome treiben lassen in der Meinung, ihn zu lenken, sondern nur dadurch, daß wir fest auf eignen Füßen stehn und zuerst Großmacht, dann Bundesstaat sind. Das hat Oestreich zu unserm Schaden stets als richtig für sich anerkannt, und es wird sich von der Komödie, die es mit deutschen Sympathien spielt, nicht aus seinen europäischen Allianzen, wenn es überhaupt solche hat, herausreißen lassen. Gehn wir ihm zu weit, so wird es scheinbar noch eine Weile mitgehn, namentlich mitschreiben, aber die 20 Procent Deutsche, die es in seiner Bevölkerung hat, sind kein in letzter Instanz zwingendes Element, sich von uns wider eignes Interesse fortreißen zu lassen. Es wird im geeigneten Momente hinter uns zurückbleiben und seine Richtung in die europäische Stellung zu finden wissen, sobald wir dieselbe aufgeben. Die Schmerlingsche Politik, deren Seitenstück Ihnen als Ideal für Preußen vorschwebt, hat ihr Fiasco gemacht. Unsre von Ihnen im Frühjahr sehr lebhaft bekämpfte Politik hat sich in der polnischen Sache bewährt, die Schmerlingsche bittre Früchte für Oestreich getragen. Ist es denn nicht der vollständigste Sieg, den wir erringen konnten, daß Oestreich zwei Monate nach dem Reformversuch froh ist, wenn von demselben nicht mehr gesprochen wird, und mit uns identische Noten an seine frühern Freunde schreibt, mit uns seinem Schooßkinde, der Bundestags-Majorität, drohend erklärt, es werde sich nicht majorisiren lassen? Wir haben diesen Sommer erreicht, wonach wir 12 Jahre lang vergebens strebten, die Sprengung der Bregenzer Coalition, Oestreich hat unser Programm adoptirt, was es im October v. J. öffentlich verhöhnte; es hat die preußische Allianz statt der Würzburger gesucht, empfängt seine Beihülfe von uns, und wenn wir ihm heut den Rücken kehren, so stürzen wir das Ministerium. Es ist noch nicht dagewesen, daß die Wiener Politik in diesem Maße en gros et en détail von Berlin aus geleitet wurde. Dabei sind wir von Frankreich gesucht, Fleury bietet mehr als der König mag; unsre (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 22 Es kostete freilich noch 1864 viel Mühe, die Fäden zu lösen, durch welche der König unter Mitwirkung des liberalisirenden Einflusses seiner Gemalin mit jenem Lager in Verbindung stand. Ohne die verwickelten Rechtsfragen der Erbfolge untersucht zu haben, blieb er dabei: „Ich habe kein Recht auf Holstein.“ Meine Vorhaltung, daß die Augustenburger kein Recht hätten auf den herzoglichen und den Schaumburgischen Antheil, nie ein solches gehabt und auf den Königlichen Theil zweimal 1721 und 1852 entsagt hätten, daß Dänemark am Bundestage in der Regel mit Preußen gestimmt habe, der Herzog von Schleswig-Holstein aus Furcht vor preußischem Uebergewicht es mit Oestreich halten werde, machte keinen Eindruck. Wenn auch die Erwerbung dieser von zwei Meeren umspülten Provinzen und meine geschichtliche Erinnerung in der Conseilsitzung vom December 1863 auf das dynastische Gefühl des Herrn nicht ohne Wirkung war, so war auf der andern Seite die Vergegenwärtigung der Mißbilligung wirksam, die der (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 24 Die öffentliche Meinung war in den gebildeten Mittelständen Deutschlands ohne Zweifel augustenburgisch, in derselben Urtheilslosigkeit, welche sich früher den Polonismus und später die künstliche Begeisterung für die battenbergische Bulgarei als deutsches Nationalinteresse unterschieben ließ. Die Mache der Presse war in diesen beiden etwas analogen Lagen betrübend erfolgreich und die öffentliche Dummheit für ihre Wirkung so empfänglich wie immer. Die Neigung zur Kritik der Regirung war 1864 auf der Höhe des Satzes: Nein, er gefällt mir nicht, der neue Bürgermeister. Ich weiß nicht, ob es heut noch Jemanden gibt, der es für vernünftig hielte, wenn nach Befreiung der Herzogthümer aus ihnen ein neues Großherzogthum hergestellt worden wäre, mit Stimmberechtigung am Bundestage und dem sich von selbst ergebenden Berufe, sich vor Preußen zu fürchten und es mit seinen Gegnern zu halten; damals aber wurde die Erwerbung der Herzogthümer für Preußen als eine Ruchlosigkeit von allen denen betrachtet, welche seit 1848 sich als die Vertreter der nationalen Gedanken aufgespielt hatten. Mein Respect vor der sogenannten öffentlichen Meinung, das heißt, vor dem Lärm der Redner und der Zeitungen, war niemals groß gewesen, wurde aber in Betreff der auswärtigen Politik in den beiden oben verglichenen Fällen noch erheblich herabgedrückt. Wie stark die Anschauungsweise des Königs bis dahin von dem landläufigen Liberalismus durch den Einfluß der Gemalin und der Bethmann-Hollwegschen Streberfraction imprägnirt war, beweist die Zähigkeit, mit der er an dem Widerspruch festhielt, in welchem das Oestreichisch-Frankfurter-Augustenburger Programm mit dem preußischen Streben nach nationaler Einheit stand. Logisch begründet konnte diese Politik dem König gegenüber unmöglich werden; er hatte sie, ohne eine chemische Analyse ihres Inhalts vorzunehmen, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 214 Das nächste Geschäft war die Regelung unsres Verhältnisses zu den verschiedenen deutschen Staaten, mit denen wir im Kriege gewesen waren. Wir hätten die Annexionen für Preußen entbehren und Ersatz dafür in der Bundesverfassung suchen können. Se. Majestät aber hatte an praktische Effecte von Verfassungsparagraphen keinen bessern Glauben wie an den alten Bundestag und bestand auf der territorialen Vergrößerung Preußens, um die (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 223 [2-74] badische vertauscht haben würden, ist fraglich. Als vorübergehend davon die Rede war, Hessen für sein Gebiet nördlich des Mains mit bairischem Lande in der Richtung von Aschaffenburg zu entschädigen, gingen mir aus dem letztern Gebiete Proteste zu, die, obschon aus streng katholischer Bevölkerung kommend, darin gipfelten, wenn die Unterzeichner nicht Baiern bleiben könnten, so wollten sie lieber Preußen werden, aber von Baiern zu Hessen gemacht zu werden, sei ihnen unannehmbar. Sie schienen von der Erwägung des Ranges der Landesherrn beherrscht und von der Stimmenordnung am Bundestage, wo Baiern vor Hessen rangirte. In derselben Richtung ist mir aus meiner Frankfurter Zeit die Aeußerung eines preußischen Reservisten zu einem kleinstaatlichen erinnerlich: „Sei du ganz stille, du hast ja nicht einmal einen König.“ Ich hielt Aenderungen der Staatsgrenzen in Süddeutschland für keinen Fortschritt zur Einigung des Ganzen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 231 [2-77] nehmen durch Correspondenz mit Savigny. Als der letzte preußische Gesandte am Bundestage war er der natürliche Erbe des Decernates über die im Vordergrunde stehende deutsche Politik. Er führte die Verhandlungen mit Sachsen zu Ende, was vor meiner Abreise nicht gelungen war. Ihr Ergebniß ist publici juris, und ich kann mich einer Kritik derselben enthalten. Die militärische Selbständigkeit Sachsens wurde demnächst unter Vermittlung des Generals von Stosch durch persönliche Entschließungen Sr. Majestät weiter entwickelt, als sie nach dem Vertrage bemessen war. Die geschickte und ehrliche Politik der beiden letzten sächsischen Könige hat diese Concessionen gerechtfertigt, namentlich so lange es gelingt, die bestehende preußisch-östreichische Freundschaft zu erhalten. Es ist in den geschichtlichen und confessionellen Traditionen, in der menschlichen Natur und speciell in den fürstlichen Ueberlieferungen begründet, daß der enge Bund zwischen Preußen und Oestreich, der 1879 geschlossen wurde, auf Baiern und Sachsen einen concentrirenden Druck ausübt, um so stärker, je mehr das deutsche Element in Oestreich, Vornehm und Gering, seine Beziehungen zur habsburgischen Dynastie zu pflegen weiß. Die parlamentarischen Excesse des deutschen Elements in Oestreich und deren schließliche Wirkung auf die dynastische Politik drohten nach dieser Richtung hin das Gewicht des deutsch-nationalen Elementes nicht nur in Oestreich abzuschwächen. Die doctrinären Mißgriffe der parlamentarischen Fractionen sind den Bestrebungen politisirender Frauen und Priester in der Regel günstig. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 485 Auf demselben Boden erwuchs in ausschließlich evangelischen Kreisen das Interesse, welches die fremdartige Erscheinung eines Katholiken und, am Hofe, eines Würdenträgers der katholischen Kirche, damals einflößte. Es war zur Zeit Friedrich Wilhelms III. eine interessante Unterbrechung der Einförmigkeit, wenn Jemand katholisch war. Ein katholischer Mitschüler wurde ohne jedes confessionelle Uebelwollen mit einer Art von Verwunderung wie eine exotische Erscheinung und nicht ohne Befriedigung darüber betrachtet, daß ihm von der Bartholomäusnacht, von Scheiterhaufen und dem dreißigjährigen Kriege nichts anzumerken war. Im Hause des Professors von Savigny, dessen Frau katholisch war, wurde den Kindern, wenn sie 14 Jahre alt waren, die Wahl der Confession freigestellt; sie folgten der evangelischen Confession des Vaters mit Ausnahme meines Altersgenossen, des nachmaligen Bundestagsgesandten und Mitbegründers des Centrums. In der Zeit, als wir Beide Primaner oder Studenten waren, sprach er ohne polemische Färbung über die Motive der getroffenen Wahl und führte dabei die imponirende Würde des katholischen Gottesdienstes, dann aber auch den Grund an, katholisch sei doch im Ganzen vornehmer, „protestantisch ist ja jeder dumme Junge“. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 796 [2-273] Ich halte auch die Voraussetzung für trügerisch, daß ein ungeschickter Gesetzentwurf des Ministeriums im Landtage sachlich genügend richtig gestellt werden wird. Er kann und wird hoffentlich in der Regel abgelehnt werden; ist aber die Frage, die er betrifft, dringend, so liegt die Gefahr vor, daß auch ministerieller Unsinn glatt durch die parlamentarischen Stadien geht, namentlich wenn es dem Verfasser gelingt, den einen oder andern einflußreichen oder beredten Freund für sein Erzeugniß zu gewinnen. Abgeordnete, die einen Gesetzentwurf von mehr als hundert Paragraphen zu lesen sich die Mühe geben oder mit Verständniß zu lesen vermöchten, sind bei der Ueberzahl studirter Leute aus der Justiz und der Verwaltung wohl vorhanden, aber die Lust und das Pflichtgefühl zur Arbeit haben nur wenige, und diese sind vertheilt unter einander bekämpfende Fractionen und Parteibestrebungen, deren Tendenzen es ihnen erschweren, sachlich zu urtheilen. Die meisten Abgeordneten lesen und prüfen nicht, sondern fragen die für eigne Zwecke arbeitenden und redenden Fractionsführer, wann sie in die Sitzung kommen und wie sie stimmen sollen. Das Alles ist aus der menschlichen Natur erklärlich, und niemand ist darüber zu tadeln, daß er nicht aus seiner Haut hinaus kann; nur darf man sich darüber nicht täuschen, daß es ein bedenklicher Irrthum ist, anzunehmen, daß unsern Gesetzen heut zu Tage die Prüfung und vorbereitende Arbeit zu Theil werde, deren sie bedürfen, oder auch nur die, welche sie vor 1848 genossen. Ein Denkmal seiner Flüchtigkeit hat sich der Reichstag von 1867 in der Verfassung des Norddeutschen Bundes gesetzt, das in die Verfassung des Deutschen Reiches übergegangen ist. Der einem Beschlusse des Frankfurter Bundestages nachgebildete Artikel 68 des Entwurfs zählte fünf Verbrechen auf, die, wenn sie gegen den Bund begangen werden, so bestraft werden sollen, als wenn sie gegen einen einzelnen Bundesstaat begangen wären. Die fünfte Nummer war mit „endlich“ eingeführt. Der wegen seiner Gründlichkeit gerühmte Twesten stellte den Verbesserungsantrag, die drei ersten Nummern (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)