„…die letzten Schranken fallen lassen“. Studien zur Universität Greifswald im Nationalsozialismus, hg. v. Alvermann, Dirk. Böhlau, Köln 2014. 407 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die deutschen Universitäten sind wie die meisten anderen Einrichtungen des früheren Deutschen Reiches durch den Nationalsozialismus Adolf Hitlers seit dessen allmählichem Aufstieg mehr oder weniger stark erfasst worden. Die Geschichte dieser ideologischen Durchdringung wurde mit wenigen Ausnahmen grundsätzlich nicht entschieden aufgearbeitet, solange die hiervon betroffenen Menschen noch in Ämtern waren oder noch lebten. Seitdem werden an manchen Stellen mit großer Mühe und entschiedenem Einsatz auch letzte Winkel durchleuchtet.

 

Die Universität Greifswald nahe der Ostsee wurde zwar bereits 1456 gegründet, nahm aber selten in der deutschen Bildungslandschaft eine führende Rolle ein und wurde 1945 von der Sowjetunion in der von ihr besetzten Zone zeitweise bzw. teilweise geschlossen und in ihrer juristischen Fakultät erst 1991 nach Herstellung der deutschen Einheit wieder eröffnet. Seitdem sind zu ihrer jüngeren Geschichte verschiedene Untersuchungen vorgelegt worden, wobei der in Berlin 1965 geborene, dort und in Rom seit 1988 in Archivwissenschaft und Geschichte ausgebildete, bei Michael Borgolte mit einer Dissertation über Reichsintegration und Herrschaftspraxis unter Kaiser Otto II. eine stets führende Kraft war. Er hat auch den vorliegenden Band herausgegeben, der darauf beruht, dass nach der Musterung des bisherigen Forschungsstands und unter dem Eindruck der wiederholten anlassbezogenen Thematisierung der nationalsozialistischen Geschichte der Universität das Rektorat im Mai 2011 die Initiierung eines Forschungsprojekts beschloss, das die Geschichte der Universität zwischen 1933 und 1945 möglichst umfassend und systematisch erforschen und darstellen sollte.

 

Diese Bemühungen fanden das Interesse von Kolleginnen und Kollegen verschiedener Disziplinen innerhalb und außerhalb der Universität, dessen Ergebnisse in Greifswald im April 2013 in einem Workshop vorgetragen wurden. Die daraus erwachsenen 15 Beiträge über politische Herrschaft und den Anspruch akademischer Freiheit, Bildung und Erziehung, die Studierenden mit besonderer Berücksichtigung des Frauenstudiums, den NSD-Studentenbund, die Berufungspolitik in der Medizin, junge Akademiker und ihre Greifswalder Biographien, Ausländerstudium, das Stettiner Oder-Donau-Institut, die nordischen Auslandsinstitute, Zwangsarbeit, die (Leichen im Keller der) Greifswalder Anatomie und Walther Schulze-Soelde fanden zwar unmittelbar nach ihrem Erscheinen das Interesse eines sachkundigen Rezensenten. Mangels eines verfügbaren Rezensionsexemplars muss an dieser Stelle aber einstweilen der allgemeine Hinweis des Herausgebers auf den vielfältigen, mit Abbildungen und einem Personenregister ausgestatteten Band genügen.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler