Zwangsadministrationen. Legitimierte Fremdverwaltung im historischen Vergleich (17. bis 21. Jahrhundert), hg. v. Frommelt, Fabian (= Historische Forschungen 100). Duncker & Humblot, Berlin 2014. 362 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Grundsätzlich ist jeder Mensch für seine Angelegenheiten selbst zuständig, doch zeigt sich angesichts der Unvollkommenheit des Menschen bei seiner Geburt bereits die unabdingbare Notwendigkeit der Fremdverwaltung bei Vorliegen besonderer Umstände. Daran hat sich in der gesamten Geschichte im Grunde nichts geändert. Vielmehr hat sich mit der Entstehung des Staates und der juristischen Person insgesamt die Zahl der Fälle von Fremdverwaltung noch vermehrt.

 

Das vorliegende, einen Teilaspekt dieser Gegebenheit in das Auge fassende Sammelwerk geht von dem Verkauf der Reichsgrafschaft Vaduz durch Graf Jakob Hannibal III. von Hohenems an Fürst Johann Adam I. Andreas von Liechtenstein am 22. Februar 1712 aus. Auf Grund der damit verbundenen Jubiläumsfeierlichkeiten 300 Jahre Liechtensteiner Oberland 2012 fand in dem in Bendern beheimateten Liechtenstein-Institut am 13. und 14. September 2012 eine wissenschaftliche Tagung unter dem Titel „Vom Kaiserlichen Kommissar zum Hohen Repräsentanten – Zwangsadministrationen im historischen Vergleich (17. bis 21. Jahrhundert) statt, weil dem erwähnten Kaufvertrag eine fast dreißig Jahre währende Zwangsverwaltung der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg durch eine kaiserliche Zwangsadministration vorangegangen war. Die von Historikern, Politikwissenschaftlern und Völkerrechtlern aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein bei dieser Gelegenheit vorgetragenen Referate stellt das vorliegende Werk nunmehr der Öffentlichkeit zur Verfügung.

 

Insgesamt umfasst der kompakte Band nach einer Einleitung und  Zusammenfassung des Herausgebers elf weitere Beiträge. Sie betreffen etwa Zwangsverwaltungen in den Territorien des Heiligen römischen Reiches im 18. Jahrhundert, Bayern, freie Reichsstädte im 17. und 18. Jahrhundert, Perspektiven einer postkolonialen Geschichte internationaler Organisationen, die österreichisch-ungarische Verwaltung Bosnien-Herzegowinas (1878-1908), die freie Stadt Danzig (1920-1939), Kamerun während der beiden Weltkriege, Bosnien und Herzegowina von 1995 bis 2014, den Kosovo oder international territorial administrations als neue Formen der internationalisierten Zwangsverwaltung. Auf diese Weise kann Liechtenstein bestmöglich seine moderne Eingebundenheit in globale überzeitliche Zusammenhänge unter Beweis stellen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler