Zürcher, Peter, Die Bischofswahlen im Fürstbistum Eichstätt von 1636 bis 1790 - Wahlgeschehen im Spiegel domkapitelscher, dynastischer und kaiserlicher Landes- und Reichskirchenpolitik (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 155). Beck, München 2008. XCV, 811 S., Ill., graph. Darst. Besprochen von Sascha Weber.

 

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine theologische Dissertation, die 2005 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt eingereicht wurde. Peter Zürcher widmet sich in ihr nicht nur dem in der Forschung weitgehend vernachlässigten Fürstbistum Eichstätt, sondern stellt dabei die Bischofswahlen in den Mittelpunkt. Dies ist ein interessantes Untersuchungsfeld mit zahlreichen dynastischen und diplomatischen Verstrickungen, das selbst für die Erzbistümer des Alten Reiches nur punktuell bearbeitet wurde. Der Untersuchungszeitraum der Arbeit erstreckt sich von den ersten Überlegungen zur Wahl eines Koadjutors 1634 bis zur Wahl des letzten Fürstbischofs im Jahre 1790. Den reichshistorischen Rahmen bildet die Zeit nach 1648, die aufgrund der langen Regierungszeit Marquards II. (1637-1685), der überdies der erste aus einer Reihe von drei Fürstbischöfen aus dem Geschlecht Schenk von Castell war, leicht durchbrochen wird.

 

Das Ziel der Arbeit ist es, die Bischofswahlen in Eichstätt in die domkapitelsche, dynastische und kaiserliche Interessenpolitik einzuordnen. Zürcher vollzieht dabei eine enge Verzahnung von Hochstiftsgeschichte und Reichskirchengeschichte. Dabei kommt er unter anderem zu einer Neubewertung der Bedeutung des Hochstiftes, das nicht nur wegen seiner strategischen Grenzlage zwischen Franken, Schwaben und Bayern für die Bewerber um den Bischofsstuhl attraktiv war. Entgegen bisheriger Darstellungen, die Eichstätt als finanziell unbedeutend einordnen, kann Zürcher anhand der Kammergerichtsbeiträge nachweisen, dass das Fürstbistum – das etwa 1776 bei den Beiträgen auf Rang 9 der 24 Erz- und Hochstifte rangierte – zu den reichen Hochstiften zählte.

 

Die gewählte Methode, bei der Erforschung der Wahlpolitik „dynastisch“ zu forschen und damit nicht die Perspektive der einzelnen Bewerber, sondern das Interesse ihrer jeweiligen Dynastien bzw. Großfamilien zu untersuchen, führte Zürcher in 24 Archive: neben dem Vatikanischen Geheimarchiv und verschiedenen Staats- und Diözesanarchiven auch in viele Familienarchive.

 

Auf mehr als 800 Seiten behandelt Zürcher die acht Bischofswahlen von 1685 (Johann Euchar Schenk von Castell), 1697 (Johann Martin von Eyb), 1705 (Johann Anton I. Knebel von Katzenellenbogen), 1725 (Franz Ludwig Schenk von Castell), 1736 (Johann Anton II. von Freyberg), 1757 (Raymund Anton von Strasoldo), 1781 (Johann Anton III. von Zehmen) und 1790 (Joseph von Stubenberg). Ebenfalls thematisiert er dort eine Koadjutorwahl (Marquard II. Schenk von Castell, 1636) sowie zwei erfolglose Bemühungen um die Wahl eines Koadjutors 1709 bis 1725 und 1726 bis 1732, die einerseits als „Vorwahlkampf“ für die nachfolgenden Bischofswahlen betrachtet werden können, andererseits den Unwillen des Domkapitels aufzeigen, sich durch die Wahl eines Koadjutors den eigenen Einfluss zu beschneiden. Die einzelnen Wahlen nehmen einen unterschiedlich breiten Raum innerhalb des Buches ein, der weniger ihre Bedeutung als vielmehr den jeweiligen Quellenertrag widerspiegelt. So werden die Bischofswahl von 1697 und die Bemühungen um eine Koadjutorie 1726 bis 1732 auf 13 bzw. 17 Seiten behandelt, während die Koadjutorverhandlungen 1709 bis 1725 auf 75 Seiten, die Bischofswahl von 1725 gar auf 140 Seiten ausgebreitet werden. Abgerundet wird das Buch durch hilfreiche Kurzbiogramme der genannten Personen sowie durch ein Orts- und Personenregister.

 

Abgesehen von einer Studie Hubert Wolfs über die Bemühungen des Hauses Lothringen um eine Sekundogenitur in Eichstätt, hat sich Peter Zürcher auf unerforschtem Terrain bewegt und viel zu Tage gefördert. Dies schlägt sich in teilweise zu detailverliebten Darstellungen der Wahlvorgänge wider. Ein gewisses Unverhältnis ist den Quellen geschuldet: Auf der einen Seite bieten die Bemühungen Lothringens, der Kurpfalz, Kurbayerns, Kursachsens und Baden-Badens um die Errichtung einer Eichstätter Sekundogenitur eine breite Überlieferung und weisen auch auf die Bedeutung des Fürstbistums innerhalb der Politik der Dynastien und des Reiches hin. Andererseits blieben all diese Versuche fruchtlos und die Überlieferung des Domkapitels, das in der gesamten Frühen Neuzeit die Wahl eines Kandidaten ex gremio verhindern konnte, sowie die der darin vertretenen Familien ist im Vergleich nur spärlich erhalten. So kann einiges bei der Beschreibung der Wahlvorgänge, der Präferenzen der einzelnen Domkapitulare etc. häufig nur aus Indizien, manchmal nur aus Vermutungen rekonstruiert werden.

 

Peter Zürcher hat eine lobenswerte Studie vorgelegt, die eine große Forschungslücke innerhalb der Eichstätter Bistumsgeschichte schließt und gleichsam einen weiteren wichtigen Baustein in der Erforschung der Germania Sacra darstellt. Ihren Wert, sowohl für die weitere landeshistorische als auch die reichshistorische Forschung, wird die Arbeit aber weniger in ihrer monographischen Gesamtheit haben, als in ihren jeweiligen Kapiteln zu den einzelnen Bischofswahlen.

 

Gießen                                                                       Sascha Weber