Zivilprozess und historische Rechtserfahrung, hg. v. Baldus, Christian/Schmon, Simone (= Schriften zur Entwicklung des Privatrechtssystems 11). Lang, Frankfurt am Main 2015. 137 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
An welcher Stelle der historischen Rechtserfahrung der Zivilprozess erscheint, ist wohl allgemein unbekannt und wird sich nicht mehr sicher ermitteln lassen. Dessenungeachtet ist der Zivilprozess ein Teil der historischen Rechtserfahrung und enthält dementsprechend historische Rechtserfahrung immer auch den Zivilprozess. Von daher ist das Verhältnis dieser beiden Gegenstände zueinander durchaus von theoretischem wie praktischem Interesse.
Mit ihm befasst sich der vorliegende schmale, aber vielfältige Sammelband. Er ist aus dem Forschungsprogramm entstanden, für das die 1386 gegründete juristische Fakultät der Universität Heidelberg den Deutschen Akademischen Austauschdienst und die Manfred-Lautenschläger-Stiftung gewinnen konnte. Ziel sollte die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern sein, die in ihrem Forschungsgebiet die besondere Notwendigkeit empfinden, sich mit der deutschen Sprache auseinanderzusetzen, wozu in den drei Jahren des Programms insgesamt 14 Stipendiaten (darunter zwei Frauen) zwischen 34 und 39 Jahren aus Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei, Ungarn, Taiwan und Chile nach Heidelberg kamen, von denen sich die Mehrheit mit römischer Rechtsgeschichte oder Zivilprozessrecht befasste.
Den auf ihren Arbeitsergebnissen beruhenden, schmalen Sammelband leitet der Herausgeber mit einer eindringlichen Betrachtung über Esperienza giuridica ein, an deren Ende er festhalten kann, dass alle Stipendiaten das Programm als Erfolg loben konnten. Danach berichtet Patricio Lazo über die Haftung eines Schifffahrtsunternehmers im römischen Recht an Hand zweier Digestenfragmente, Mario Varvaro über Zugehörigkeitsbehauptung und ivs qviritivm in der Vindikationsformel des römischen Zivilprozesses, Elena D’Allessandro über die pönale Funktion des Schadensersatzrechts im deutsch-italienischen Deliktsrecht, in dem internationalen Privatrecht und in dem internationalen Zivilprozessrecht, Àlvaro Pérez-Ragone über das Verhältnis zwischen modernem Schuldturm und Insolvenz sowie Natale Rampazzo über die recusatio iudicis in der Entwicklung des römischen Zivilprozessrechts. Ein Index von actio commodasti bis Zivilprozessordnung schließt die vielfältigen Studien benutzerfreundlich aus.
Innsbruck Gerhard Köbler