Wengst, Udo, Theodor Eschenburg. Biographie einer politischen Leitfigur 1904-1999. De Gruyter, Berlin 2015. 279 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Theodor Rudolf Georg Eschenburg wurde in Kiel als Enkel eines Lübecker Bürgermeisters und Sohn eines Seeoffiziers in einer begüterten Bürgerfamilie geboren. Nach dem Studium der Volkswirtschaft und Geschichte in Tübingen und Berlin wurde er 1929 mit 25 Jahren auf Grund einer von Gustav Stresemann im Druck mit einer Einleitung versehenen Dissertation über das Kaiserreich am Scheideweg - Bassermann, Bülow und d. Block, nach unveröffentlichten Papieren aus dem Nachlass Ernst Bassermanns an der Universität Berlin promoviert. Danach wurde er Mitarbeiter Gustav Stresemanns, wurde nach erfolgloser Mitarbeit bei anderen Parteien am 30. Juni 1933 Anwärter der Schutzstaffel (SS) der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, trat zum 1. Juli 1933als Partner des jüdischen, 1936 unter Druck in die Vereinigten Staaten von Amerika wechselnden Rechtsanwalts Berthold Cohn ein, wirkte bei Arisierungen mit, wurde nach dem zweiten Weltkrieg Flüchtlingskommissar für Württemberg-Hohenzollern, Stellvertreter des Innenministers, Geschäftsführer, 1951 Staatsrat und Honorarprofessor für Politikwissenschaft sowie 1952 ohne Habilitation (erster) ordentlicher Professor für Politikwissenschaft an der Universität Tübingen, der bis zu seinem Tode in Tübingen am 10. Juli 1999 eine führende Rolle in der deutschen Politikwissenschaft spielte.

 

Der eine Biographie dieser politischen Leitfigur vorlegende Verfasser wurde in Remsfeld am 1. Juli 1947 geboren und nach dem Studium von Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie in Bonn, Köln und Tübingen am letzten Studienort (!) 1973 auf Grund einer Dissertation über Graf Brockdorff-Rantzau und die außenpolitischen Anfänge der Weimarer Republik promoviert. Danach wirkte er als wissenschaftlicher Angestellter in Tübingen, ab 1979 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Bonn und ab 1992 als stellvertretender Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München/Berlin, dem 1996 die Universität Regensburg eine Honorarprofessur verlieh.

 

Seit 2011 war Theodor Eschenburg auf Grund von Quellenbelegen wegen seines Verhaltens während der nationalsozialistischen Herrschaft im Deutschen Reich in die Kritik geraten. In dieser Diskussion versucht der Verfasser, Eschenburgs Handeln als das eines standhaften Demokraten, der eigentlich nur den Kopf einzog und in die innere Emigration ging, zu beschreiben und zu rechtfertigen. Damit kann er mangels wesentlicher neuer eigener Fakten die Kritik an einem mit dem Wind  mitlaufenden und verschwiegen später zu einem führenden Politikwissenschaftler aufsteigenden „Großbürger“ trotz seiner zeitweisen zumindest örtlichen Nähe kaum entkräften und auch das Wissen um Eschenburg für die geschichtswissenschaftliche Diskussion im Sinne wahrhafter Betrachtung der Zeit und ihrer Geschichte nicht wirklich entscheidend vermehren.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler