Torp, Cornelius, Gerechtigkeit im Wohlfahrtsstaat. Alter und Alterssicherung in Deutschland und Großbritannien von 1945 bis heute. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015. 464 S., Diagr., Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Laufe der Geschichte gelang dem Menschen grundsätzlich die Gewinnung eines solch großen Maßes an Wohlstand, dass er über die Zeit seiner eigenen ausreichenden Leistungsfähigkeit hinausdenken und die Sicherung des Lebens auch in einer Zeit unzureichender eigener Leistungsfähigkeit in das Auge fassen konnte. Deswegen kann er auch nach Gerechtigkeit im Wohlfahrtsstaat streben und die Politik durch seine Wählerstimme unterstützen, die ihm die Erreichung im größten Ausmaß zu den geringsten Kosten zusagt und nach Möglichkeit auch erreicht. Wie lange dies wo möglich sein wird, erscheint allerdings angesichts jüngerer gesellschaftlicher Entwicklungen mehr als je offen.

 

Mit einem wichtigen Teilaspekt dieser Problematik befasst sich das vorliegende stattliche, mittels 16 Graphiken und 11 Tabellen veranschaulichende, auf umfangreichen Quellen aufbauende und durch ein Personenregister und ein Sachregister benutzerfreundlich aufgeschlossene Werk des in Bielefeld 1997 mit einer Arbeit über MaxWeber und die preußischen Junker als Magister (Geschichte, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie) graduierten, vor allem von Manfred Hettling unterstützten, in Halle-Wittenberg 2004 in Geschichte mit einer Dissertation über die Herausforderung der Globalisierung in Deutschland zwischen 1860 und 1914 promovierten und 2014 mit der vorliegenden Schrift für neuere und neueste Geschichte habilitierten, inzwischen nach Augsburg berufenen Verfassers. Sie gliedert sich nach der einführenden Einleitung in insgesamt acht Abschnitte. Sie betreffen im örtlichen Wechsel zwischen Großbritannien und Deutschland die vier Perioden der Kriegszeit und Nachkriegszeit, der 1950er Jahre bis zu den (frühen) 1970er Jahren, der 1980er und 1990er Jahre bzw. der Zeit bis zur Herstellung der deutschen Einheit und die Zeit seit den späten 1990er Jahren bzw. seit 1990.

 

Im Ergebnis seiner sozialgeschichtlichen Analyse kann der Verfasser feststellen, dass es in Großbritannien und in Westdeutschland nach dem zweiten Weltkrieg zu einer weitgehenden Neuordnung der Alterssicherung unter verschieden bewerteten Gerechtigkeitsgesichtspunkten kam. Auch auf die in beiden Staaten nach der Jahrtausendwende sichtbaren Krisen reagierten die Politiker unterschiedlich. Insgesamt erwies sich dabei trotz auch kaum zu übersehender Ähnlichkeiten das auf Armutsvermeidung ausgerichtete, eher dem Gleichheitsgrundsatz folgende Alterssicherungssystem Großbritanniens als weniger erfolgreich als das differenzierend Statussicherung anstrebende, die Ungleichheiten des Erwerbslebens in das Alter verlängernde Rentensystem der Bundesrepublik, doch werden nach der ansprechenden Prognose des vielfältig und überzeugend argumentierenden Verfassers Fragen der sozialen Gerechtigkeit in der Alterssicherungspolitik in beiden und vielen anderen Staaten auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler