Todesurteile sowjetischer Militärtribunale gegen Deutsche (1944-1947). Eine historisch-biographische Studie, hg. v. Weigelt, Andreas/Müller, Klaus-Dieter/Schaarschmidt, Thomas/Schmeitzner, Mike (= Schriften des Hannah-Arendt-Instituts 56). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015. 488 S., CD. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Laufe seiner Geschichte hat der Mensch eine Trennung zwischen erwünschtem Verhalten und unerwünschtem Verhalten entwickelt und verschiedene besonders schädliche Verhaltensweisen mit dem Übel Strafe als Rechtsfolge versehen, wobei die Todesstrafe zur schwersten Form der Sanktion geworden ist. Ihre Verwirklichung ist dem Sieger eines Krieges leichter möglich als der unterliegenden Seite. Deswegen verspricht eine Aufarbeitung der Todesurteile sowjetischer Militärtribunale gegen Deutsche am Ende des zweiten Weltkriegs und in den ersten Jahren danach vielfältige rechtsgeschichtliche Einsichten.

 

Der in diesem Zusammenhang von den vier aus unterschiedlichen Ausgangspunkten gemeinsam wirkenden Herausgebern geschaffene Sammelband enthält nach einem kurzen Vorwort fünf Beiträge, vier Anhänge und als Anlage auf einer CD Kurzbiographien. Insgesamt konnten dabei 3301 Todesurteile ermittelt werden, von denen 2542 vollstreckt wurden, wobei es sich bei den zwischen 1950 und 1953 Hingerichteten fast nur um Menschen handelt, die im Zusammenhang mit Widerstandshandlungen oder widerständigen politischen Haltungen gegen die sowjetische Besatzungsmacht oder die Diktatur der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands getötet wurden. Die Hauptrolle bei den einbezogenen Urteilen spielte die Ahndung von durch Deutsche in der nationalsozialistisch geprägten Zeit begangenen Straftaten, die ganz überwiegend in Geheimprozessen erfolgte.

 

Im Einzelnen behandelt Claus-Dieter Müller die Rolle und Bedeutung der Todesurteile durch sowjetische Militärtribunale in der Spannung zwischen Verbrechensahndung und Besatzungspolitik, Mike Schmeitzner die nationalsozialistischen Eliten im Visier sowjetischer Gerichte und der auch über die Quellenlage vorzüglich unterrichtende Andreas Weigelt die Urteile sowjetischer Militärtribunale gegen Angehörige des Polizeibataillons 304 Chemnitz. Er bietet am Ende auch auf den Seiten 159-416 eine umfangreiche Fallgruppenübersicht und ein Erschließungsregister als Leitfaden für die biographische Dokumentation, so dass insgesamt auf Grund von Nachforschungen in russischen, deutschen und amerikanischen Archiven eine bisher bestehende bedeutende Forschungslücke in bestmöglicher  Weise (für 2469) zum Tode Verurteilte geschlossen werden konnte, wobei ein Personenverzeichnis im Anhang von Viktor Abakumov bis Martin Zwoboda weitere wichtige Aufschlüsse sichert.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler