Steueroasen im Visier – Ort der Geschäftsleitung und Einkünftezurechnung – Dokumentations- und Mitwirkungspflichten – Strafrechtliche Komponenten steuerlichen Fehlverhaltens inkl. Verfahrensrecht – Praxisbezug mit aktuellen nationalen und internationalen Entwicklungen, hg. v. Macho, Roland/Schwaiger, Martin/Stieber, Beatrix. Linde, Wien 2015. 164 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Vor allem seit der Erfindung des Geldes hat sich in der Geschichte der Menschen auch die Steuer durchgesetzt. Mit ihrer Hilfe kann der Entscheidungsträger mit ausreichendem Grund auf die Leistungen und die Wertschöpfungen der Unterworfenen zugreifen, auch wenn er zumindest anfangs an deren Einverständnis gebunden ist. Im Laufe der Zeit gelingt ihm vor allem mit politischer Unterstützung vieler Begünstigter ein umfangreicher Zugriff auf Mittel von Leistungsträgern, die ihrerseits an möglichster Steuervermeidung interessiert sind.

 

Da das Interesse an den Mitteln der anderen im menschlichen Zusammenleben unerschöpflich erscheint, sind die lange Zeit unbehelligten Steueroasen zuletzt verstärkt in die Diskussion geraten, so dass aktuelle Aufklärung über den gegenwärtigen Zustand willkommen sein muss. Die sich ihr widmenden drei Herausgeber bzw. sechs Autoren kennen die damit verbundenen Fragen bestens aus ihrer beruflichen Tätigkeit in der Großbetriebsprüfung (mit dem Schwerpunkt Ausland), auf Grund deren sie zu der Einsicht gelangt sind, dass in Zeiten des Internet Steueroasen ziemlich einfach und kostengünstig zu finden und zu nutzen sind. Als Kennzeichen von Steueroasen nennen sie fehlende oder geringe Besteuerung für Abgabepflichtige, die nicht am eigenen Wirtschaftsleben im Steueroasenland Teil nehmen, unklare Rahmenbedingungen ohne Steuergleichheit und Vermeidung von Informationsaustausch mit ausländischen Finanzverwaltungen.

 

Gegliedert sind die aufklärenden Darlegungen nach einer kurzen Einleitung in allgemeine Überlegungen zu Steueroasen, ihren Auswirkungen und zu Steuergerechtigkeit und Moral, in Initiativen gegen Steueroasen und steuerschädliches Verhalten seitens Österreichs, der OECD, von BEPS, Europäischer Union, G20, Joint International Tax Shelter Information Centre oder Nongovernmental Organisations, in Fragen des Ortes der Geschäftsleitung und der Einkünftezurechnung, in das Verfahrensrecht vor allem nach der BAO und in das Finanzstrafrecht. Im Ergebnis erfassen die Autoren die Verhinderung steuerschädlichen Verhaltens überzeugend als langzeitliche Abfolge von Auseinandersetzungen zwischen staatlicher Verwaltung einerseits und Abgabepflichtigen sowie ihren Beratern andererseits, in deren Rahmen die Politik bessere Rahmenbedingungen für die umfassende Besteuerung schaffen kann. Am Ende  wird aber auch die Beseitigung aller steuerlichen Unterschiede nur dazu führen können, dass eine vollständigere steuerliche Erfassung von Gewinnen weniger Unternehmer wohl am ehesten eine Erhöhung der Preise für alle bewirkt und im Übrigen der Geschickte immer wieder neue, für ihn günstigere Wege finden wird.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler