Stätten des Wissens. Die Universität Wien entlang ihrer Bauten 1365-2015, hg. v. Rüdiger, Julia/Schweizer, Dieter. Böhlau, Wien 2015. 394 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Seit fast 900 Jahren sind inzwischen in weltweiter Ausdehnung die Universitäten die wohl wichtigsten Orte methodisierten menschlichen Wissens, darunter auch des Wissens über menschliche Herkunft und Vergangenheit. Im Rahmen ihrer von Italien ausgehenden Entstehung hat für das allmählich entstehende Österreich die Universität Wien das größte Gewicht. Da sie in der Gegenwart die 650jährige Gründung ihrer Stiftung feierlich begehen kann, liegt es nahe, ihrer Geschichte möglichst anschaulich und einprägsam nachzuspüren.

 

Der vorliegende stattliche Band schließt nach dem Grußwort des amtierenden Rektors eine Lücke, weil eine zusammenfassende Behandlung aller wichtigen Bauten der Universität Wien über die gesamte Zeit ihres Bestands bisher fehlte. Er will die historische Entwicklung der Universität mit der Baugeschichte verbinden und den Wandel der an Hochschulbauten gestellten Anforderungen in der Zeit veranschaulichen. Dazu gliedert er sich nach einer Einführung Dieter Schweizers in drei Teile über das alte Universitätsviertel, den Palast am Ring als Zentrum für die neuen Wissenschaften ab 1848 und die Phase der weiteren Expansion im 20. Jahrhundert.

 

In insgesamt 23 Einzelbeiträgen wird dabei der lange Wege von den mittelalterlichen Anfängen bis zu den Standorten im Frühjahr 2014 verfolgt, wobei an den Anfang Herzog Rudolf IV. als der Stifter in Statue und zeitgenössischem Porträt gestellt wird und Brief und Siegel der Gründung folgen. Gelegen war die projektierte, das Minoritenkloster einschließende Pfaffenstatt als locus … interclusus zwischen Schottentor und herzoglicher Burg am späteren Straßenzug vom Schottentor entlang der Schottengasse und Herrengasse (Hochstrazze) bis zur Schauflergasse, diese entlang bis zur Stadtmauer, die im Verlauf der späteren Straßen Löwelstraße, Oppolzergasse und Mölkersteig wieder zum Schottentor führte. Die erste Abbildung zeigt das nach dem Erwerb von Gebäuden Niklas Würfels 1384/1385 von Herzog Albrecht III. gestiftete mehrstöckige, einen Torturm aufweisende collegium ducale (gegenüber dem Dominikanerkloster im Bereich Postgasse 7-9) in einer Miniatur, die zweite Abbildung in einer Vogelschau des Antwerpener Kammermalers Jakob Hoefnagel von 1609, während die besondere neugebaute Juristenschule in der Schulerstraße (14) nahe Sankt Stephan und auch die zahlreichen studentischen Bursen nicht mehr sichtbar werden.

 

Nach Kurt Mühlbergers anschaulicher Schilderung des alten Universitätsviertels führt Herbert Karner zum Collegium Academicum Viennense (1624-1755) und zur neuen Aula am untern Jesuitenplatzl, während Christoph Gnant die Entkirchlichung behandelt, Hellmut Lorenz den josephinischen Bautenkomplex, Nina Kniebling die Bibliotheksstandorte und Thomas Maisel den Verlust der alten Universität. Julia Rüdiger ordnet das neue Hauptgebäude als gebauten Sieg des Lichtes über die Finsternis ein und hält die neue Universitätssternwarte an der Türkenschanze fragend für eine säkularisierte Himmelsschau. Im Rahmen der baulichen Entwicklung der Universität Wien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sichert Judith Eiblmayr auch dem Juridicum einen ehrenvollen Platz, so dass der durch weiterführende Literatur, Chronik und Personenregister von Abel bis Zschokke abgerundete, mit zahlreichen Abbildungen versehene, vorzüglich ausgestattete großformatige Sammelband insgesamt ein angemessenes Geburtstagsgeschenk für Österreichs wichtigste Bildungseinrichtung ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler