Slavíčková, Pavla, Právní ochrana dětí v období prvních kodifikací [Der rechtliche Schutz von Kindern in der Zeit der ersten Kodifikationen]. Praha. Nakladatelství Lídové noviny, Praha/Prag 2012. 338 S. Besprochen von Inge Bily.
Das vorliegende Buch Pavla Slavíčkovás basiert auf der im Jahre 2008 an der philosophischen Fakultät der Palacký-Universität in Olomouc/Olmütz verteidigten Dissertation der Autorin. Im Unterschied zur üblichen, auf arme und kranke Kinder sowie Waisen fokussierten Perspektive des rechtlichen Schutzes von Kindern, beschäftigt sich Pavla Slavíčková hier mit dem rechtlichen Schutz von Kindern, die in ihren Familien aufwachsen, zumindest unter der Autorität ihrer Familien, analog der patria potestas im römischen Recht.
Die Arbeit basiert auf solidem Quellenstudium. Der umfangreiche Anmerkungsapparat stellt jeweils die Bezüge zu den ausgewerteten Textstellen wie auch zum systematisch vergleichend einbezogenen römischen Recht her.
Auf das Inhaltsverzeichnis (S. 5-6) und das Vorwort (S. 7-8) folgt eine ausführliche Einleitung (S. 9-17). In fünf Kapiteln wird anschließend der rechtliche Schutz von Kindern in der Zeit der ersten Kodifikationen[1] behandelt.
Im ersten Kapitel (S. 18-35) gibt Pavla Slavíčková unter der Überschrift Die Entwicklung des Stadt- und Landrechts in den Böhmischen Ländern in der Vormoderne einen komprimierten und ausgesprochen informativen Abriss der Rechtsgeschichte Böhmens und Mährens. Hier, wie auch im gesamten Band, bietet eine große Zahl von Anmerkungen dem Benutzer eine Fülle von Quellennachweisen, Literaturangaben und weiterführenden Informationen.
Das anschließende zweite Kapitel (S. 36-77) beschäftigt sich mit der väterlichen Gewalt. Zunächst wird die Rolle des pater familias beschrieben, um sich dann u. a. auch Themen wie der Volljährigkeit und der rechtlichen Stellung nichtehelicher Kinder (Kinder ohne väterliche Gewalt) zuzuwenden.
Das dritte Kapitel (S. 78-108) behandelt die Vermögensansprüche von Kindern, das vierte (S. 109-139) deren Erbansprüche. In Zusammenhang mit dem Erbe geht Pavla Slavíčková u. a. auch auf die Mitgift für Töchter sowie auf eine Besonderheit im Böhmischen Recht, die obvěnění für Söhne, ein. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Art der Mitgift für Söhne, die dem Erbe der Braut zugeteilt wird. In einem eigenen Punkt wendet sich die Autorin dem Erbe im sächsisch-magdeburgischen Recht zu und betrachtet dabei besonders Gerade und He(e)rgewäte.
Das fünfte Kapitel (S. 140-197) beschäftigt sich mit der vormundschaftlichen Gewalt.
Die Zusammenfassung (S. 198-210), auf welche die Anmerkungen zum gesamten Band (S. 211-295) sowie Bemerkungen zur Wiedergabe der Graphie der ausgewerteten Quellentexte und Editionen (S. 296-297) folgen, greift das Thema der Untersuchung erneut auf und richtet den Blick gleichzeitig auf Rechtsvorschriften der Folgezeit. Hierzu stellt Pavla Slavíčková resümierend fest, dass die Grundprinzipien des rechtlichen Schutzes von Kindern, wie sie in den älteren Rechtsvorschriften formuliert sind, auch mit der Zeit der Aufklärung und der Annäherung an neuere Gesetzestheorien nicht verlassen wurden. Eher das Gegenteil ist der Fall, d. h. auch wenn in den neueren Gesetzen Veränderungen in den Formulierungen und auch Systematisierungen erfolgten sowie moderne Temini eingeführt wurden, blieb der Inhalt weitestgehend unverändert. Dies wird anhand konkreter Rechtstexte exemplifiziert, wie am “Böhmischen Stadtrecht”, der “Verneuerten Landesordnung” und dem “Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch”.
Den Abschluss dieses fundierten und lesenswerten Buches bilden eine Übersicht der zitierten Rechtsnormen (S. 299-305), das Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und Literatur (S. 306-308), das Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 309-330), ein englisches Resümee (S. 331-335) sowie ein Personenregister (S. 336-338).
Inge Bily
[1] Die Zeit der ersten Kodifikationen meint für Böhmen den Zeitraum vom beginnenden 16. Jh. mit der ersten Kodifikation des Landrechts (Wladislawsche Landesordnung von 1500) und des Stadtrechts (Stadtrecht des Pavel Kristián z Koldína von 1579) bis zum Ende des 18. / Beginn des 19. Jh. mit der Ablösung der bisherigen Kodifikationen durch die erste Kodifikation des Strafrechts von 1811 (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch).