Signori, Gabriela, Schuldenwirtschaft. Konsumenten- und Hypothekarkredite im spätmittelalterlichen Basel. UVK, Konstanz 2015, 185 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Spätestens mit dem Geld erblühte die Schuld in der menschlichen Gesellschaft in so vielfältiger Weise, dass zahlreiche Einzelheiten noch im wissenschaftlichen Dunkel liegen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die Verfasserin, die zuletzt als Herausgeberin eines Sammelbands über prekäre Ökonomien – Schulden im Spätmittelalter und früher Neuzeit – hervorgetreten ist, eine vertiefende Untersuchung zu einem Einzelaspekt vorlegt. Ihren Ausgangspunkt bildet die Einsicht, dass sich seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert die Zahl der Ratsbücher und Gerichtsbücher vervielfältigte, die immer ausschließlicher im Dienste der Kreditwirtschaft standen.

 

Die Verfasserin gliedert ihre wichtige, zeitaufwendige, durch eine zweisemestrige Aufnahme in das kulturwissenschaftliche Kolleg des Konstanzer Exzellenz-Clusters Kulturelle Grundlagen von Integration ermöglichte Studie außer in eine Einleitung über den Kredit und das Vertrauen in vier Sachkapitel. Sie betreffen Kredithaie und kleine Fische, Gerichtsschreiber, Gläubiger und insolvente Schuldner, Hauswirtschaft im eigentlichen Sinne und vier private Basler Schuld- und Geschäftsbücher Stefan Offenburgs, Klaus Stützenbergs, Ulrich Meltingers und Ludwig Kilchmanns zwischen dem 15. Jahrhundert (vor 1430) und dem 16. Jahrhundert (vor 1518). Am Ende des mit Schaubildern angereicherten schlanken Bandes steht ein vielfältiges Fazit.

 

Beeindruckend ist dabei vor allem auch bereits die Übersicht über die Basler Gerichtsbücher, die für die Jahre zwischen 1394 und 1878 fast 500 beträgt (183 Urteilsbücher,  52 Bücher Verrechnungen, 51 Fertigungsbücher, 47 Bücher Kundschaften, 39 Vergichtbücher mit Konfessaten sowie weitere Bücher mit Frönungen und Verboten sowie Beschreibbüchlein. Aus der exemplarischen Durchsicht ausgewählter Teile der vor Gericht verhandelten Geschäfte ermittelt die Autorin eine im hohen Maße verrechtlichte Gesellschaft, die ihr mangelndes Vertrauen in eine Vielzahl unterschiedlicher Gerichsbücher einfließen ließ. Zwar hat sich nach den Erkenntnissen der Verfasserin die Wirtschaftslage im 15. Jahrhundert anscheinend verschlechtert, doch waren nahezu alle Stadtbewohner kreditwürdig und überstieg die Summe der Schulden nach den Gläubigerlisten gewöhnlich das zu versteuernde Vermögen des Schuldners nicht, selbst wenn nicht immer alle Stadtbewohner zahlungsfähig waren - in jedem Falle bildete der Kredit (Kleinkredit, Warenkredit oder Hypothekatkredit) eine tragende, in ein komplexes Kontrollsystem eingebundene Säule der spätmittelalterlichen Stadtwirtschaft, wobei die exemplarisch herangezogenen Geschäftsbücher die Befunde der Gerichtsbücher insgesamt eindrucksvoll bestätigen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler