Scholz, Sebastian, Die Merowinger (= Urban-Taschenbuch 748). Kohlhammer, Stuttgart 2015. 342 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Merowinger sind das älteste erkennbare germanistische Geschlecht, das auf den Verlauf der Geschichte der Deutschen und Europäer wesentlich Einfluss genommen hat. Deswegen sind sie seit langem Gegenstand deutscher und europäischer Geschichtsschreibung. Wohl am erfolgreichsten hat sich ihrer zuletzt Eugen Ewig 1988 angenommen, doch sind seitdem verschiedene weitere Darstellungen ihrer wechselhaften, aber letztlich doch langzeitlich grundlegenden Geschichte der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden.

 

Der in Münster 1962 geborene Verfasser des vorliegenden Taschenbuchs wurde nach dem Studium von Geschichte und Latein an den Universitäten Münster und Köln 1991 bei Odilo Engels und Werner Eck mit einer Dissertation über Transmigration und Translation am Beispiel von Studien zum Bistumswechsel der Bischöfe von der Spätantike bis zum Hochmittelalter promoviert und war anschließend als wissenschaftlicher Angestellter bei der Inschriftenkommission der Akademie der Wissenschaft und Literatur in der Herausgabe vierer Inschrifteneditionen tätig. In seiner in Mainz 2003 vorgelegten Habilitationsschrift untersuchte er Politik, Selbstverständnis und Selbstdarstellung der Päpste in karolingischer und ottonischer Zeit. Seit 2007 ist er als Nachfolger Reinhold Kaisers in Zürich einziger Lehrstuhlinhaber für frühmittelalterliche Geschichte in der Schweiz.

 

Seine Darstellung will die Forschungsergebnisse und gewandelten Forschungsansätze der letzten Jahrzehnte einbeziehen und die kirchliche Entwicklung, die kirchliche Gesetzgebung und die gesamte Rechtsentwicklung besonders berücksichtigen, womit ein neuer Zugang geschaffen werden soll, der den kirchlichen Einfluss und die Bedeutung des Rechtes deutlicher macht. Seine 16 Sachkapitel betreffen die Frühzeit der Franken, die Neuordnung der galloromanischen Gesellschaft, die Expansion in Gallien, die Regierung Chlodwigs, Recht und Gesellschaft im frühen Frankenreich einschließlich des Steuersystems, Chlodwigs Nachfolger, die kirchliche Entwicklung zwischen 511 und 651, das Reich unter den Söhnen Chlothars I., die Reichsteilung von 567, das Reich von 584 bis 596, die gesellschaftlichen Veränderungen im späteren 6. Jahrhundert mit Pest, Armut und Hunger, Theudebert II. und Theuderich II., Chlothar II. und Dagobert I., die Nachfolger Dagoberts I., Königin Balthild und schließlich die Hausmeier Ebroin und Pippin den Mittleren. Möge der trotz aller Auslassungen und Verzerrungen in den Quellen auf eigenem Ansatz unternommene Versuch der gut verständlichen Erfassung der Geschichte des Frankenreichs unter den Merowingern zwischen etwa 500 und etwa 750 gebührende Aufmerksamkeit der geschichtlich interessierten Öffentlichkeit finden.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler