Schmal, Barbara, Das staatliche Kirchenaustrittsrecht in seiner historischen Entwicklung (= Jus Ecclesiasticum 102). Mohr (Siebeck), Tübingen 2013. XVIII, 372 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Als soziales Wesen steht jeder einzelne Mensch in vielfältigen Spannungsverhältnissen zu den unterschiedlichsten mitmenschlichen Umgebungen. Zu ihnen gehört auch seit dem ersten Jahrhundert der auf der Geburt des Religionsstifters Jesus Christus aufbauenden Zeitrechnung die von ihm und nach ihm angeregte christliche Kirche. In sie wird traditionell bereits der noch geschäftsunfähige Mensch des Abendlands eingebunden.
Mit der danach möglichen besonderen Thematik des staatlichen Kirchenaustrittsrecht beschäftigt sich die von Karl-Hermann Kästner betreute, 2012 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen angenommene Dissertation der 1982 geborenen, in Saarbrücken und Tübingen ausgebildeten, von 2008 bis 2010 an dem Lehrstuhl ihres Betreuers tätigen Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in insgesamt sechs, grundsätzlich chronologisch geordnete Sachkapitel. Sie betreffen die Entwicklung des deutschen Religionsrechts von den Anfängen der frühen Formen der Reichskirche und der fränkischen Reichskirche bis in das 19. Jahrhundert, den Weg zu den ersten gesetzlichen Regelungen seit dem Edikt, die Religionsverfassung in den preußischen Staaten betreffend, vom 9. Juli 1788 über das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten vom 1. Juni 1794 bis zu dem Kulturkampf des späteren 19. Jahrhunderts, die Konkretisierung der Kirchenaustrittsgesetzgebung seit dem preußischen Kirchenaustrittsgesetz vom 14. Mai 1873, die Entwicklung bis zu dem Untergang der Weimarer Reichsverfassung, die Zeit der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft und die Entwicklung des Kirchenaustrittsrechts seit 1945 (etwas verkürzt formuliert) in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik bis zur Wiedervereinigung.
Im Ergebnis macht die vorsichtige, durch Anlagen, Literaturverzeichnis sowie Personenregister und Sachregister benutzerfreundlich abgerundete Beschreibung der sich nur langsam entfaltenden Tendenzen nach den Worten der Verfasserin deutlich, zu welchem symbiotischen Verhältnis weltlicher und kirchlicher Funktionsbereich seit der Frühzeit zusammenwuchsen, sich dann aber in einem Prozess der Pluralisierung und Fragmentierung religiöser Autorität wieder voneinander weg bewegten und letztlich eine Trennung vollzogen. Nach der überzeugenden Ansicht der Verfasserin ist der Staat außer Stande, dem Einzelnen unter Bezugnahme auf dessen kirchenrechtliche Taufe oder sonstige Begründung der Mitgliedschaft den Austritt zu verwehren. Darüberhinaus birgt am Ende die derzeitige, in langer Entwicklung erreichte, klare und eindeutige Ausformung des Rechtsinstituts des Kirchenaustritts (z. B. in dem Kirchenaustrittsgesetz Hessens von 2009) aus staatlicher Sicht alle Voraussetzungen, sich den wahrscheinlichen Entwicklungen der nahen Zukunft flexibel anzupassen.
Innsbruck Gerhard Köbler