Sattler, Andreas, Emanzipation und Expansion des Markenrechts. Die Entstehungsgeschichte des Markengesetzes von 1995 (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 99). Mohr (Siebeck), Tübingen 2015. XIII, 504 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Marke als Zeichen und damit gekennzeichneter Gegenstand wird in Rom durch das Namensrecht gegen Nachahmungen geschützt und findet sich im Frühmittelalter an Vieh, Holz oder Haus, entwickelt sich als Handelsmarke des Kaufmanns zur Kennzeichnung seiner Ware aber erst in der Stadt im Hochmittelalter. Etwa gleichzeitig mit dem Ende des Zunftzwangs infolge der allgemeinen Liberalisierung der Wirtschaft wird die Marke gesetzlich geschützt (Frankreich 1787, Bayern 9. 3. 1840/21. 12. 1862). Angesichts der Entstehung von Markenartikeln als Folge der Industrialisierung und der damit verbundenen allgemeinen Kaufkraftsteigerung wird im Deutschen Reich 1874 ein Gesetz über den Markenschutz und 1894 ein Markenzeichengesetz erlassen.
Der 1982 geborene, in Bayreuth und Nottingham ausgebildete, inzwischen als Rechtsanwalt tätige Verfasser verfolgt in seiner im Rahmen des Graduiertenkollegs Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit der Deutschen Forschungsgemeinschaft entstandenen, von Diethelm Klippel betreuten und im Wintersemester 2013/2014 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommenen Dissertation die seitdem eingetretene Entwicklung. Er gliedert seine umfangreiche, sachkundige Untersuchung in insgesamt zehn Kapitel. Sie betreffen den 1874 und 1894 bejahten, von Hermann Isay bezweifelten, im Warenzeichengesetz des Jahres 1936 aber aufrechterhaltenen Akzessorietätsgrundsatz, das Verhältnis zwischen Warenzeichenrecht und Wettbewerbsrecht zwischen 1874 und 1909 (Markenrecht als Ersatz für ein fehlendes Lauterkeitsrecht), das Verhältnis von Warenzeichenschutz und Ausstattungsschutz mit der endgültigen Anerkennung der Ausstattung im Warenzeichengesetz des Jahres 1936, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Entstehung beworbener und bekannter Marken, die Rechtsprechung zum Schutz der bekannten Marke (z. B. Quick und Rolls Royce durch den Bundesgerichtshof), der Schutz bekannter Marken in der Literatur (Josef Kohler, Eugen Ulmer), die Grundlagen des europäischen Markenrechts, die Verwertbarkeit der Marke im europäischen Markenrecht, die Expansion des Schutzbereichs im europäischen Markenrecht und schließlich den Paradigmenwechsel im deutschen Markenrecht seit dem Erstreckungsgesetz des Jahres 1992.
Im Ergebnis seiner eindrucksvoll gelungenen Untersuchung stellt er überzeugend seit 1874 eine Emanzipation und Expansion des Rechtes an der Marke fest. Die Verselbständigung der Marke vom Geschäftsbetrieb erhöht deren wirtschaftliche Verwertbarkeit, die Ausweitung des Schutzbereichs erleichtert die vielseitige Verteidigung der Marke durch den Inhaber. Ansprechend weist er am Ende darauf hin, dass der erweiterte Schutz bekannter Zeichen in das Lauterkeitsrecht gehört und dass die mit dem Markenrecht verbundene wettbewerbsfördernde Funktion nicht gegenüber steter Emanzipation und Expansion des Markenrechts übermäßig vernachlässigt werden darf.
Innsbruck Gerhard Köbler