Rettig, Bernd, Hegels sittlicher Staat. Bedeutung und Aktualität. Böhlau, Köln 2014. 423 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Für den in Stuttgart 1770 geborenen, nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Tübingen in Jena 1801 habilitierten Georg Friedrich Wilhelm Hegel ist die Weltgeschichte bekanntlich der notwendig fortschreitende Prozess, in dem sich der absolute Geist seiner Freiheit in dem dialektischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese bewusst wird. In der tatsächlichen Umwelt versteht Hegel Preußen als Verwirklichung der Freiheit. Damit wird der Staat dem Einzelnen sehr stark übergeordnet.

 

Mit einem Teilaspekt dieser Thematik beschäftigt sich das vorliegende Werk. Nach seiner Vorbemerkung will der nach seinen Worten mit der marxschen Lehre groß gewordene, als Rechtsanwalt in Jena tätige Verfasser der von Gerhard Lingelbach begleiteten Untersuchung zeigen, dass Hegels „Rechtsphilosophie“, je tiefer man sie auslotet, ihren konservativen Gehalt verliert. Sichtbar wird nach dem Verfasser stattdessen ein an der Erhaltung der Natur orientiertes Weltbild, in dem sich eine organische Natur und eine bürgerliche Gesellschaft gegenüberstehen.

 

Gegliedert ist die durch die Tragödie des Sittlichen eingeleitete Untersuchung in insgesamt fünf Sachkapitel. Sie betreffen den Weg vom Gemeinwesen zu Staat und bürgerlicher Gesellschaft, das Bürgerliche Gesetzbuch als Recht ohne Mitte im Spiegel der Rechtsphilosophie, Hegels konstitutionelle Monarchie als Verwirklichungsform des objektiven Geistes, die Verwechslung des Staates mit der bürgerlichen Gesellschaft dargestellt an dem Beispiel der Weimarer Republik und - am Beispiel der Sowjetunion Stalins außerhalb der Sittlichkeit - den Gesellschaftsstaat als Betriebsstaat. Im Ergebnis spricht sich der Verfasser auf dieser Grundlage für eine Pflicht des politischen Staates aus, eine Pflicht zur Natur zum Maßstab des politischen Handelns zu machen, statt als reiner Gesellschaftsstaat der produzierten Natur die Verrechtlichung der organischen Natur zu verfolgen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler