Reichtum im späten Mittelalter. Politische Theorie – Ethische Norm – Soziale Akzeptanz, hg. v. Schulte, Petra/Hesse, Peter (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft 232). Steiner, Stuttgart 2015. 254 S., Abb.

 

Zwar gibt es auch verschiedene Tiere, die aus unerklärten Gründen Vorräte für nahrungsarme Zeiten anlegen, doch sammelt wohl nur der moderne Mensch Güter um des bloßen Habens willen. Diese Verhaltensweise hat er vermutlich erst in dem Zeitpunkt entwickelt, in welchem die Deckung der alltäglichen Lebensbedürfnisse verhältnismäßig gesichert war. Seitdem lassen sich Reichtum und Armut so gut trennen, dass sie zu gesellschaftlichen Schichtungen geführt haben, die bereits in der Antike erkennbar sind.

 

Dass diese Entwicklung gesellschaftliche Schwierigkeiten mit sich bringen kann, zeigt der von den Herausgeberinnen im Vorwort an die Spitze gestellte Buchtitel des Jahres 2010 „Gleichheit ist Glück – Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ beispielhaft. Als bereits kurz vorher in dem Jahre 2009 mit der Planung der Tagung „Reichtum im späten Mittelalter“ begonnen wurde, interessierte die Veranstalter die historische Fundierung dieser sozialpolitischen Diskussion. Mit großzügiger Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung konnte daraufhin in dem Palazzo Barbarigo della Terrazza des deutschen Studienzentrums in Venedig vom 7. bis 10. April 2010 eine Tagung durchgeführt werden, deren Ergebnisse der vorliegende Sammelband der Allgemeinheit zur Verfügung stellt.

 

Enthalten sind darin nach einleitenden Überlegungen Petra Schultes über Reichtum als Gegenstand historischer Forschung insgesamt 11 Studien. Sie beginnen mit Einstellungen von Franziskanern und Dominikanern zu Eigentum und Reichtum im 14. Jahrhundert und führen etwa über Giles of Rome, die Theologie des 12.-14. Jahrhunderts, Johannes Geiler von Kaysersberg, Theorie und Wirklichkeit des Wuchers im bargeldlosen Verkehr, Gregory of Rimini, den sozialen Aufstieg in der städtischen Chronistik, junge Nachfolger in oberdeutschen Familiengesellschaften des 15. und 16. Jahrhunderts, verarmte Reiche in Florenz und den Reichtum der Kirche in eidgenössischen Städten bis zu Reichtum und Armut in der Wirklichkeit und der Diskussion in Byzanz. Im Ergebnis des vielfältigen, interessanten, eines Registers entbehrenden Bandes kann dabei Peter Schreiner etwa feststellen, dass in der differenzierten sozialen Realität des von wenig beschränktem Egoismus des Individuums geprägten Alltags die ethische Einschätzung der Theorie eigentlich nur Trost statt konkreter Hilfe bieten konnte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler