Pieroth, Bodo, Recht und Literatur – von Friedrich Schiller bis Martin Walser. Beck, München 2015. XVI, 327 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Nach dem kurzen Vorwort des in Chemnitz 1945 geborenen, in München, Bonn, Freiburg im Breisgau und Nizza ausgebildeten, in Heidelberg 1975 über Störung, Streik und Aussperrung promovierten und 1979 über Rückwirkung und Übergangsrecht habilitierten Verfassers geht das vorliegende Werk letztlich darauf zurück, dass er in seiner Jugend unzählige belletristische Werke verschlang und in der gymnasialen Oberstufe auch rezensierte. Deutsch war sein liebstes, sogar preisgekröntes Fach, weswegen sein Deutschlehrer nicht verstand, warum er nicht Germanistik studieren wollte, und er selbst verstand sein 1965 als Alternative gewähltes Fach Rechtswissenschaft nur langsam. Gleichwohl wurde er in Bochum, Marburg und Münster außergewöhnlich erfolgreich und konnte mit Bernhard Schlink die Grundrechte des Staatsrechts prägen, neben Hans Jarass das Grundgesetz führend kommentieren und neben Werner Frotscher auch die Verfassungsgeschichte auf einen hohen Rang leiten.

 

Neben all diesen vorzüglichen Leistungen machte er aber schon früh seine Literaturbegeisterung für seinen Beruf als Professor für öffentliches Recht dadurch nutzbar, dass er 42 Kolumnen über das juristische Studium  im literarischen Zeugnis in einer Ausbildungszeitschrift veröffentlichte. Danach fragte ihn Thomas Vormbaum nach einem Kommentar zu Georg Büchners „Danton’s Tod“ und schließlich veranstaltete er in dem Marburger Haus in dem Kleinwalsertal im Sommersemester 2010 mit Bernhard Schlink und Richard Weisberg ein Seminar zu dem Thema Recht und Literatur, dem weitere ähnliche Veranstaltungen folgten. Da Bernhard Schlinks andere schriftstellerische Projekte die ursprünglich vorgesehene gemeinsame Autorenschaft nicht zuließen, legt er nunmehr das aus diesen vielfältigen Vorüberlegungen erwachsene Werk als einziger Verfasser vor.

 

Gegliedert ist es nach einer gewinnenden Einleitung in zwei Teile. Der erste Teil über das Verhältnis zwischen Recht und Staat behandelt die sechs Fragen, ob Tyrannenmord gerechtfertigt ist, ob aus Gewalt Recht entstehen kann, ob das Recht die Macht begrenzen kann, ob staatliches Recht Gerechtigkeit schafft, ob Recht im Krieg wirkt und ob der Staat Streitkräfte braucht. Im zweiten Teil geht es bezüglich des Verhältnisses von Mensch und Gericht um die Probleme, was gegen Rechtsverweigerung hilft, ob arm gegen reich Recht bekommen kann, wie der Richter die Wahrheit findet, wer zurechnungsfähig und welche Tat zurechenbar ist.

 

Gegliedert sind die dabei entstandenen elf Kapitel nach einem einheitlichen Muster. Zunächst bietet der Verfasser jeweils den Inhalt der behandelten Literaturwerks mit mehr oder weniger umfangreichen Textauszügen. Danach behandelt er den Autor und sein Werk. Im Anschluss hieran schildert er präzise das genaue juristische Problem und vergleicht es sorgfältig mit dem in der Gegenwart geltenden Recht.

 

In der Reihenfolge des vielfach durch Porträts veranschaulichenden Bandes werden in diesem Rahmen Schiller, Büchner, Eichendorff, Kafka, Bergengruen, Arnold Zweig, Koeppen, Kleist, Walser, Hauptmann, Brecht, E. T. A. Hoffmann, Musil und Dürrenmatt einbezogen. Von ihnen waren Eichendorff, Kafka und Hoffmann ausgebildete Juristen und hatte Schiller immerhin ein Jahr Rechtswissenschaft studiert, ehe er zur Medizin wechselte. Bei den übrigen Literaten stand von Anfang an meist die Philologie oder auch Philosophie im Vordergrund, doch fanden stets auch bedeutsame Rechtsfragen ihre weiterführende, die Allgemeinheit ansprechende Aufmerksamkeit.

 

Insgesamt bietet das Werk ein überzeugendes Panorama für das Verhältnis von Recht und Literatur an Hand deutschsprachiger Weltliteratur. Zwar kann nicht jede gestellte Frage in gleicher Weise grundlegend sein und ist wohl auch nicht jede rechtliche Grundfrage einbezogen. Jeder Leser kann aber durch die gespannte Lektüre ein offeneres und weiteres Wissen über die Bedeutung der Literatur für das Recht und das Gewicht des Themas Recht in der Literatur gewinnen, auch wenn er nicht mit Jakob Grimm der romantischen Auffassung folgt, dass Recht und Poesie miteinander aus einem Bette aufgestanden waren. Ein bibliographischer Anhang und ein Personen- und Sachregister schließen das die Peinliche Gerichtsordnung Karls V. mit dem Jahre 1525 verknüpfende Buch hilfreich auf.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler