Petersohn, Jürgen, Reichsrecht versus Kirchenrecht. Kaiser Friedrich III. im Ringen mit Papst Sixtus IV. um die Strafgewalt über den Basler Konzilspronuntiator Andreas Jamometić 1482-1484 (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters – Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 35). Böhlau, Köln 2015. 339 S. Besprochen von Christof Paulus.

 

Vom berühmten Humanisten Bartolomeo Platina stammt der Satz: „Wenn Du nach Indien fliehst, Paul (Papst Paul II.) wird dich von dort zurückholen.“ Die Macht des Renaissancepapsttums war demnach schon den Zeitgenossen sprichwörtlich. Umso bemerkenswerter ist der Rechtsstreit, den der langjährige Marburger Mediävist Jürgen Petersohn in der vorliegenden Publikation ausbreitet und mit den Worten zusammenfasst: „Friedrich III. war, daran ist nicht zu rütteln, der erste – und zugleich der einzige – deutsche Herrscher, der die Überstellung eines geistlichen Delinquenten an die Papstgewalt begründet und erfolgreich verweigerte“ (111). Petersohn analysiert in seiner Studie, der ein 66 Stücke umfassender Quellenanhang beigefügt ist, die Auseinandersetzung zwischen der vermeintlichen „Reichserzschlafmütze“ Friedrich III. und Papst Sixtus IV., die sich um den vom Basler Magistrat verhafteten Dominikaner Andreas Jamometić entzündete, als Grundsatzstreit zwischen dem in theologisch-hierarchischen Kategorien und Ansprüchen argumentierenden Papst, der sich als oberster Richter profilierte, und dem Reichsoberhaupt. Diesem gelang es wohl gerade aufgrund des semiöffentlich geführten Diskurses die Machtspielräume auszuloten und in Berufung auf das Reichsrecht und das Hauptargument der Autoritätsverletzung (contemptus et laesio auctoritatis amborum capitum christianae religionis) das vielschichtige diplomatische Tauziehen mit dem Heiligen Stuhl für sich zu entscheiden. Dabei untersagte Friedrich III. sogar einem päpstlichen Legaten das Handeln im Reich – ein seit der Stauferzeit unerhörter Vorgang! Jamometić, der Karriere unter Sixtus IV. gemacht hatte, hatte 1482 ein Konzil ausgerufen, mit dem er die Kirche reformieren, den Papsthof reinigen und einen Türkenzug durchführen lassen wollte, und flankierte den Aufruf durch eine schwärmerisch aufgeladene Korrespondenzoffensive, worin der Dominikaner eine globale Gefahr beschwor, durch welche die Kirche Afrika und Asien zu verlieren und auf Europa als Anspruchsraum zurückgedrängt werde. Papst und Kaiser empfanden das Vorhaben als Bedrohung, und so entspann sich eine reiche und heftige Kontroverse zwischen den obersten Gewalten, die auch – und das ist mentalitätsgeschichtlich bemerkenswert – deutliche Anzeichen einer persönlichen Emotionalität der Beteiligten zeigte. Die Auseinandersetzung brachte zudem die Stadt Basel in eine arge Zwickmühle. Letztlich fand man Jamometić am 13. November 1484 erhängt in seiner Zelle. Eingenagelt in ein Fass, wurde der dominikanische „Aufrührer“ im Rhein versenkt. Petersohn gelingt es in der Studie, auf Basis seiner mehr als vier Jahrzehnte währenden Jamometić-Forschung, den bekannten Konflikt, über dem – nach Lektüre Jacob Burckhardts – das Urteil Friedrich Meineckes als „Burleske“ des ausgehenden Mittelalters lastet, nicht zuletzt durch Vergleich mit den Fällen Arnold von Brescia (1155), Cola di Rienzo (1352) und Jan Hus (1415) in seiner historischen Einzigartigkeit herauszuarbeiten. Der angesprochene reiche Anhang, der ungedruckte Bestände aus Archiven in Rom, Basel, Venedig oder Wien ediert, erhöht noch den Wert der wichtigen, durch ein zuverlässiges Register zu erschließenden rechtsgeschichtlichen Publikation.

 

Seehausen am Staffelsee                                                       Christof Paulus