Person und Rechtsperson. Zur Ideengeschichte der Personalität, hg. v. Gröschner, Rolf/Kirste, Stephan/Lembcke, Oliver W. (= Politika 11). Mohr (Siebeck), Tübingen 2015. XXX, 396 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In der deutschen Sprache erscheint Person zuerst im Mittelhochdeutschen im späteren 12. Jahrhundert (persone AntichrL 1160-1180), während der Ausdruck Rechtsperson jedenfalls nicht der geläufigen Sprache anzugehören scheint. Person ist ein aus dem lateinischen, bei Plautus (um 250-184 v. Chr.) belegten persona mit der Bedeutung Maske, Person entstammendes Lehnwort. Nach dem vorliegenden Werk kommt es letztlich aus dem Etruskischen und ist mit lat. sonare tönen nicht verwandt.

 

Sachlich entstand der juristische Begriff der Person nach bisheriger Ansicht in der systematischen Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, in der Althusius in Dicaelogica 1,4 etwa formuliert Persona est homo, iuris commercium habens, wobei freilich bereits Papst Innozenz IV. 1245 von einer persona ficta der universitas sprechen konnte. Seitdem hat sich die Person jenseits des Menschen zu einer Grundfigur der Jurisprudenz entwickelt, an Hand deren die Rechtswelt eigentlich in nur zwei Teile Personen und Sachen gegliedert werden kann. Damit ist die Person eine Grundfigur der Rechtswissenschaft, die ungeteilte Aufmerksamkeit verdient.

 

Der vorliegende, bedeutende Sammelband stellt ihre Geschichte allerdings, wie kaum anders zu erwarten, nicht aus einer Hand als gedankliche Einheit dar. Er bietet vielmehr ein buntes Mosaik der geschichtlichen Vielfalt. Dementsprechend enthält er weitgespannte, neuartige Überlegungen und Einsichten.

 

Dies beginnt bereits mit dem an den Anfang gestellten Collegium editorum. Dieses erörtert im gelungenen Trilog die Philosophie in den Positionen der einbezogenen Autoren. Wie in einem glücklichen Spiel werfen sich die Herausgeber zahlreiche Bälle zu, behandeln sie geschickt und gekonnt und geben sie vielfach bereichert an den Kollegen, Freund und Schüler weiter.

 

Danach untersucht Theo Kobusch das Verhältnis von Person und Handlung auf dem Wege von der Rhetorik zur Metaphysik der Freiheit. Stephan Schaede betrachtet Person und Individualität in der Spätscholastik in der Entwicklung von der Unmittelbarkeit über die Unabhängigkeit zur personalen Repräsentanz. Paul Richard Blum behandelt Unbestimmtheit und Selbstbestimmung im Philosophieren der Renaissance.

 

Marietta Auer konzentriert sich auf die Substanz der Freiheit an Hand Samuel Pufendorfs Begriff der moralischen Person, während Alexander Aichele betrunkenen Professoren und mörderischen Schlafwandlern in der Philosophie der Aufklärung zwischen Empirismus und Rationalismus (bei Locke, Leibniz und A. G. Baumgarten) nachgeht. Mit dem Bourgeois und Citoyen bei Rousseau befasst sich Ino Augsberg, mit Person und Bürger bei Kant Tobias Herbst. Chris Thomale zeichnet Rechtsfähigkeit und juristische Person als Abstraktionsleistungen bei Savigny und Kant nach, Michael Städtler die Person als Prinzip der systematischen und historischen Entfaltung des Rechtes bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Eduard Gans.

 

Nach der Person erscheint die Rechtsperson im Rechtspositivismus (Tilman Altwicker). Dementsprechend vergleicht Jan Philipp Schaefer kommunitaristische Positionen zu moralischer Person und Rechtsperson. Mensch – Person – Staat bilden auf diese Weise Reflexionsstufen des Kommunitarismus.

 

Claudia Ritzi betont die Grenzen der Gleichheit in einer feministischen Kritik am Begriff der Person, der zwar weiblich ist, aber das Weibliche vernachlässigt. Ulrich Palm ermittelt die ideengeschichtlichen Wurzeln der Person in der Verfassung und Horst Dreier widmet sich in einem Kommentar zu Artikel 19 III GG der juristischen Person als Grundrechtsträger. Am Ende erkennt Stephan Kirste schließlich die beiden Seiten der Maske in der Rechtstheorie und Rechtsethik der Rechtsperson.

 

Insgesamt bietet das gesamte Werk ein gelungenes Zusammenspiel führender Gelehrter in der Geschichte der Person. Abgerundet wird es verdienstvollerweise durch ein Autorenverzeichnis, ein Personenregister von Abaelard bis Iris Marion Young und ein Sachregister von abstraktes Recht bis Zwangsgesetz. Möge es das allgemeine rechtliche Wissen um Geschichte und Bedeutung von Person, Rechtsperson und Personalität nachhaltig durch die Vorstellung befruchten, dass, anders als das Individuum – aber um seinetwillen – die Person (Rechtsperson) aus ihren (rechtlichen) Relationen über den Menschen hinaus konstruiert wird.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler