Ortner, Helmut, Der Hinrichter – Roland Freisler – Mörder im Dienste Hitlers, 3. Aufl. Nomen, Frankfurt am Main 2014. 360 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Roland Freisler wurde in Celle am 30. Oktober 1893 als Sohn eines aus Mähren stammenden Diplomingenieurs geboren und begann nach dem in Kassel 1912 als Klassenbester bestandenen Abitur das Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Jena, das aber durch den Einsatz als Soldat im ersten Weltkrieg mit Kriegsgefangenschaft in Sibirien von 1915 bis zur Mitte Juli 1920 unterbrochen wurde. Danach bestand er die beiden juristischen Staatsprüfungen mit gut, promovierte 1921 summa cum laude über „Grundsätzliches über die Betriebsorganisation“, arbeitete ab 1924 mit einem Bruder als Rechtsanwalt in Strafsachen und wurde 1925 Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Adolf Hitlers. Nach Tätigkeiten als Landtagsabgeordneter und Reichstagsabgeordneter wurde er Ende März 1933 Beamter im Justizministerium Preußens, Leiter der Personalabteilung, Ministerialdirektor, Staatssekretär und nach vergeblicher Bemühung um das Justizministerium ab 20. August 1942 bis zu seinem Tode bei einem Bombenangriff am 3. Februar 1945 Präsident des Volksgerichtshofs, in dem der von ihm geführte erste Senat etwa 2600 Todesurteile (im Durchschnitt aller Tage der Amtszeit täglich fast 3) verhängte („Das Gericht war Freisler“).

 

Wegen dieses auffälligen Befundes hat Roland Freisler bereits vielfach publizistisches Interesse verursacht. Der 1950 geborene, auch mit Werken über Politik ohne Gott, das Töten oder die Italiener Sacco und Vanzetti in Amerika hervorgetretene Verfasser veröffentlichte eine Untersuchung über Freisler erstmals anscheinend 1993 im Umfang von 352 Seiten mit Illustrationen in dem Zsolnay Verlag in Wien. Seitdem hat sein Ergebnis bei wechselnden Verlagen Interesse gefunden und ist als überarbeitete Neuausgabe in dritter Auflage bei Nomen erschienen.

 

Gegliedert ist das auf Anmerkungen verzichtende Buch nach einem Vorwort über die Gegenwart der Vergangenheit und einem Prolog über die zweite Karriere Freislers in zehn Kapitel. Sie betreffen den Festakt (vom 14. Juli 1934), den Rechtsanwalt aus Kassel, ein Volk, ein Reich, ein Führer, den Staatssekretär und Publizisten, Verräter und Volksschädlinge, den politischen Soldaten, das Handeln „im Namen des Volkes“, den 20. Juli 1944 und das Ende, nach dem der Autor eine Stunde null ablehnt, weil es der Respekt vor den Opfern verbietet, den Mantel des Vergessens über die nationalsozialistische Unrechtsjustiz Gürtners, Thieracks, Franks, Rothenbergers, Freislers und anderer zu legen. Ein Lebenslauf Freislers, informative Anhänge und ein Personennamensregister von Adenauer bis (Landgerichtsrat) Zeschau runden die beeindruckende Studie über einen aus der Mitte des Deutschen Reiches kommenden, von den Deutschen möglich gemachten gnadenlosen Deutschen seiner Zeit benutzerfreundlich ab.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler