Ordnungen für die Kirche – Wirkungen  auf die Welt. Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, hg. v. Arend, Sabine/Dörner, Gerald (= Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 84). Mohr Siebeck, Tübingen 2015. XIII, 322 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Ordnung ist die vielfach dem Chaos gegenübergestellte, mit idg. *ar‑ (1), *h2er‑, V., fügen, passen zu verbindende tatsächlich-räumliche und danach auch übertragene Reihung von Gegebenheiten mit Hilfe des menschlichen Verstands. Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits in der Antike finden. In der frühen Neuzeit erscheinen als Folge der Reformation des christlichen Glaubens durch Martin Luther zwecks Ablösung des abgelehnten kanonischen Rechtes zahlreiche evangelische Kirchenordnungen, die in erheblichem Umfang bereits wissenschaftlich ediert sind.

 

Dieser erfreuliche Zustand geht insbesondere auf den in Erlangen wirkenden Ordinarius für Kirchenrecht Emil Sehling zurück, der am Ende des 19. Jahrhunderts den Plan einer Ausgabe der evangelischen Kirchenordnungen auf dem Gebiet des Deutschen Reiches von dem Beginn der Reformation (1517) bis zu dem Dreißigjährigen Krieg in vier Abteilungen mit je einem Band (Sachsen und Thüringen, Norden und Osten, Westen, Süden) entwickelte. Trotz der Unterstützung des Kaisers geriet das Vorhaben am Ende des Kaiserreichs aber nach dem fünften Band ins Stocken und konnte erst 1955 in Göttingen unter der Leitung Rudolfs Smends und nach einem weiteren Halt seit 2002 in Heidelberg fortgeführt werden, so dass mittlerweile 24 Bände der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Der bevorstehende Abschluss der Ausgabe im Jahre 2016 bot nach dem Vorwort der Herausgeber des vorliegenden Sammelbands eine günstige Gelegenheit, in der Form einer internationalen, in den Räumen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften im März 2014 abgehaltenen Tagung auf den zwischen Erlangen, Göttingen und Heidelberg zurückgelegten Weg zurückzublicken.

 

Das reiche Ergebnis dieser Zusammenkunft stellt der vorliegende Sammelband in der Form fünfzehner eindringlicher Studien der Allgemeinheit zur Verfügung.  Sie betreffen etwa den Vergleich zwischen lutherischen und reformierten Kirchenordnungen, die Pfarreranstellung in Württemberg und anderswo, die oberdeutschen Agenden, die Lieder, die Rezeption des Alten Testaments in Braunschweig, das Landauer Kirchenamt von 1534, eine unbekannte Augsburger Kirchenordnung von 1535/1536?, Kirchenausstattungen, religiöse Kunstwerke, Eherecht, öffentliche Fürsorge, Zins und Wucher, den Kampf um die >Ordnung der Kirche in England, Kirchenordnungen in Dänemark-Norwegen oder die Kirchen-, Schul- und Spitalordnung des Johannes Mathesius im katholischen Böhmen. Abgerundet werden die vielfältigen neuen Erträge, die über die Kirche hinaus die wichtigen Wirkungen auf die gesamte Gesellschaft beleuchten, durch ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren und drei benutzerfreundliche Register, so dass insgesamt ein überzeugendes Zeichen für die große Bedeutung der editorisch vor dem Abschluss stehenden Kirchenordnungen gesetzt ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler